Das von der Weltöffentlichkeit lange Zeit vergessene und zu einem der Waisenkinder der Weltpolitik 1) degradierte Afghanistan ist durch die Anschläge vom 11. September in den Vereinigten Staaten zum herausragenden Thema der Medien geworden. Von der im Land seit der Machtübernahme der Modjahedin am 27. April 1992 herrschenden unvorstellbaren Brutalität, von dem in Kabul angerichteten Blutbad und der fast vollständigen Zerstörung der Stadt war zuvor kaum Notiz genommen worden. Erst mit dem Auftauchen der Taleban im September 1994 (am 27. September 1996 eroberten sie Kabul) und ihrer extrem fundamentalistischen, vor allem frauenund kulturfeindlichen Politik (Anfang März 2001 ließen sie die Buddha-Statuen im zentralafghanischen Bamian zerstören) begann eine neue Etappe der Berichterstattung über Afghanistan. Die Katastrophe von New York und Washington könnte zu einem Glücksfall für Afghanistan werden - sofern die internationale Gemeinschaft nicht nur die partikularen Interessen bestimmter Mächte, sondern auch die der Afghanen berücksichtigt und dies zu einer nachhaltigen Friedens- und Stabilitätspolitik führt. Dazu bedarf es eines finanziellen Engagements und eines langen Atems. Mit Bomben und Raketen ist das Problemfeld Afghanistan nicht in den Griff zu bekommen, im Gegenteil: Die ohnehin prekäre Situation verschlechtert sich weiter.
In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist.