Ausgabe Juli 2002

Tunesien: Diktatur im Musterland

Wie Recht hatte doch der tunesische Innenminister, als er bei der Bekanntgabe des offiziellen Ergebnisses der Volksabstimmung über die Verfassungsreform feststellte, dass dieses "niemanden überrascht" habe: Die Wahlbeteiligung lag bei 95,59% - und 99,52% der Bürgerinnen und Bürger hatten den von Staatspräsident Zine Al-Abidine Ben Ali vorgeschlagenen Änderungen der Verfassung der tunesischen Republik zugestimmt. Welch einig Volk hinter einem Präsidenten, der sich am 7. November 1987 durch einen "medizinischen Staatsstreich" an die Macht befördert hatte, indem er den greisen Habib Bourgiba durch ein ärztliches Gutachten für amtsunfähig erklären ließ. Jener hatte sich zum Präsidenten auf Lebenszeit wählen lassen.

Unmittelbar nach seiner Machtübernahme erweiterte Ben Ali die Kompetenzen des Präsidenten in der ohnehin schon auf die präsidiale Autorität zugeschnittenen Verfassung. Allerdings galt für ihn bis dato noch die Verfassungsbestimmung, nach der ein Präsident drei Mal für eine fünfjährige Amtszeit gewählt werden kann. 1) Hier schuf das Referendum vom 26.

Sie haben etwa 12% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 88% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Oktober 2025

In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema