Das Fernsehspiel war einmal eine Gattung, mit der die Pioniere im Nachkriegs-Deutschland (West und Ost) das neue Medium vor seinem Schicksal zu bewahren suchten, zur Glotze, zum "Null-Medium" (Enzensberger) zu werden. In fiktionalen, aber realistischen Spielformen griff es aktuelle Themen der gesellschaftlichen Auseinandersetzung auf, um zugleich mit der Unterhaltung Problembewusstsein zu vermitteln. Das Fernsehen schien auf Grund seiner Rezeptionsform solche Ansprüche zu begünstigen: Der Apparat ist ein Möbelstück im Zentrum des Alltagslebens und zugleich jenes "Fenster zur Welt", das auch den Blick auf die Probleme der Menschen und der Menschheit lenken sollte. Solche gemäß der Funktionsbestimmung des öffentlich-rechtlichen Systems bildende Wirkungen versprach man sich sogar von den Serien und legte sie pädagogisch an.
Erst das Hereinschwappen von US-amerikanischen Soaps wie Dallas oder Denver machten das deutsche Publikum mit jener spielerisch-zynischen Ent-Moralisierung vertraut, die uns einen Bösewicht wie J.R. als attraktivste Figur in einem Ensemble von gutwilligen Schwächlingen und stets nur jammernden Weibern erscheinen ließen. Das wurde in Deutschland Be Er De prompt nachgemacht, aber die andere Tradition in Form von Linden- und anderen Straßen überlebt gleichfalls.