Ausgabe November 2002

Modell Porto Alegre

Der Bürgerhaushalt auf dem Prüfstand

Die Welt atmet eine frische Brise neuer Ideen und Hoffnungen. Zehntausende machen sich derzeit auf den Weg nach Florenz zum ersten Europäischen Sozialforum, um eine bessere Zukunft einzufordern und ihre Vorschläge für eine andere Welt vorzustellen. Die erste Massenbewegung des 21. Jahrhunderts hat ihren Ausgangspunkt in den Protesten von Seattle und in Porto Alegre, wo im Jahr 2001 das erste Weltsozialforum tagte. Dass dieses in der brasilianischen Metropole stattfand, war kein Zufall. Nicht von ungefähr nimmt Porto Alegre in Anspruch, Welthauptstadt der Demokratie zu sein. Seit 1989 regiert in der 1,3 Millionen Einwohner zählenden Stadt die brasilianische Arbeiterpartei PT (Partido dos Trabalhadores). Der PT entstand Ende der 70er Jahre im Widerstand zur Militärdiktatur (1961-1987).

Den Aufstieg zur wichtigsten Oppositionspartei der 90er Jahre verdankt die Partei unter anderem der Fähigkeit, Basisdemokratie und soziale Gerechtigkeit in ein konkretes Konzept umzusetzten: den Orçamento Participativo, der im Deutschen mit Bürger- oder Beteiligungshaushalt übersetzt werden kann. 1) Inzwischen gibt es in Brasilien über 80 und in Lateinamerika über 150 Munizipien, 2) in denen die Bürger über den öffentlichen Haushalt mitbestimmen können.

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In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

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