Betrachtungen anlässlich des Falls Michel Friedman
Im Juni 2003 wurde die Wohnung des Rechtsanwalts, Talkmasters und stellvertretenden Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Michel Friedman, aufgrund eines Durchsuchungsbefehls der Berliner Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf illegalen Drogenkonsum durchsucht. Prostituierte hatten zu Protokoll gegeben, dass Friedman bei einem Treffen mit ihnen Kokain konsumiert und ihnen auch angeboten hatte. Das Bekanntwerden dieser Umstände führte zu einem beispiellosen, medial inszenierten Skandal, in dessen Mittelpunkt angesichts der moralistischen Haltung Friedmans in politischen Angelegenheiten die Frage nach dem Verhältnis von privater und öffentlicher Moral stand. Nach vier Wochen des Schweigens hat Friedman einen Strafbefehl akzeptiert, gemäß dessen er nun vorbestraft ist. In einer bundesweit wahrgenommenen Erklärung entschuldigte er sich für sein Fehlverhalten und trat von sämtlichen öffentlichen Ämtern zurück. – D. Verf.
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Es mag sein, dass der Skandal um Michel Friedman, die Berliner Staatsanwaltschaft und die deutschen Medien nichts anderes darstellt als das Symptom einer politischen Lage, die Unterscheidungen nicht mehr zulässt und alle Akteure unausweichlichen Sachzwängen aussetzt.