Ausgabe August 2003

Die europäische Gefahr

Ezra Suleiman von der Princeton University, der auch in Paris lehrt und ausgezeichnete Arbeiten über die französische Gesellschaft verfasst hat, deutete kürzlich in einem Zeitungsartikel an, die französische Haltung in Sachen Irak sei eine Kreation Jacques Chiracs und seines Außenministers, einer Laune des Präsidenten entsprungen. Frankreich ist, Suleiman zufolge, "schrecklich vom rechten Weg abgekommen", als es sich "seinem wichtigsten Verbündeten widersetzte", ein aus Washingtoner Sicht ganz einfach "unzulässiger" Akt. Kein Wort darüber, welche Rolle Prinzipien und Werte bei der Kontroverse spielten.

Frankreich findet in den Vereinigten Staaten nur wenige Verteidiger. Die verbreitete Annahme ist, Paris handele ausnahmslos aus unehrenhaften Motiven, während Amerika versuche, Gutes zu tun. Wie Suleiman zeigt, wird selbst in seriösen Kreisen kaum anerkannt, dass der Streit um den Irakkrieg durch unterschiedliche politische Prinzipien und Weltbilder verursacht wurde und dass die Regierungen Frankreichs und Deutschlands in fast ganz Europa die überwältigende Unterstützung der öffentlichen Meinung fanden.

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Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

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