Bei der dramatisch gescheiterten Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO) standen zwei große Themen auf der Tagesordnung. Erstens sollten die Minister eine Zwischenbilanz der "Entwicklungsrunde" ziehen, die sie zwei Jahre zuvor in Doha ausgerufen hatten. Dabei ging es allerdings im Wesentlichen nur um weitere Marktöffnungen, vor allem bei Agrarprodukten. Zweitens sollte es in Cancún endlich grünes Licht für Verhandlungen über vier Themen geben, von deren Regelung die Industrieländer sich Chancen für einen neuen Schub bei der Erschließung des Südens erwarteten: Schutz für ausländische Investitionen, Wettbewerb, Öffnung öffentlicher Ausschreibungen für ausländische Bieter und Handelserleichterungen. Die Mehrheit der Entwicklungsländer stand und steht diesen Themen ablehnend gegenüber. Sie befürchten, weitere Zugeständnisse bei diesen Themen würden sie noch stärker in ihren Möglichkeiten beschränken, ihre Wirtschaft souverän und im Interesse des eigenen Landes zu gestalten. Sie bestanden in Cancún vielmehr darauf, dass zunächst einmal die Märkte der Industrieländer in den Bereichen geöffnet werden sollten, in denen der Süden am ehesten konkurrenzfähig ist, vor allem bei Produkten der Landwirtschaft wie Baumwolle und Weizen.
In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist.