Ausgabe März 2003

Offener Brief an acht europäische Staats- und Regierungschefs

Ihre Unterstützungserklärung zur Regierungspolitik der Vereinigten Staaten gegenüber dem Irak wirft mehr Fragen auf, als sie beantwortet. Solidarität mit unserer Regierung ist etwas anderes als Solidarität mit unserem Volk. In jedem Ihrer Länder lehnt eine Mehrheit die US-Politik gegenüber dem Irak ab. Die Meinungsumfragen in den Vereinigten Staaten zeigen eine tief gespaltene Nation. Bestürzung, Zweifel und Ablehnung gegenüber einem Irakkrieg wachsen rasch. Sicherlich haben Ihre Botschafter Ihnen berichtet, dass in unseren Kirchen, Gemeinden, Schulen und Universitäten, im Kongress und in der Presse ein politischer Sturm aufzieht.

Unter diesen Umständen hat Ihr Ruf nach „Einheit“ mit den Vereinigten Staaten einen seltsam ritualisierten Klang. Echte Einheit könnte aus einem vernünftigen Konsens innerhalb unserer Staaten sowie zwischen uns und dem Großteil der übrigen Welt erwachsen. Aber ebendies hat unser Präsident nicht erreicht. Unsere Staaten haben, wie Sie sagen, gemeinsame demokratische Werte. Aber der britische Premierminister erlaubt es dem Unterhaus nicht, über einen Irakkrieg abzustimmen, sein spanischer Kollege hat nur unter dem Druck einer empörten Öffentlichkeit eine Parlamentsdebatte zugelassen.

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Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

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