Ausgabe August 2004

Die Kriminalisierung von Migranten

Schätzungen zufolge kamen während des letzten Jahrzehnts mehr als 2 500 Migrantinnen und Migranten bei dem Versuch ums Leben, nach Europa zu gelangen. Das sind viele Menschenleben - aber nicht viele Einwanderungsversuche für einen Kontinent mit über 375 Millionen Einwohnern. Wer sind die Menschen, die Europa mit so viel Entschlossenheit aussperrt - auch um den Preis, dass diese ihr Leben riskieren, um hineinzukommen? Kurz gesagt: Sie sind eine entschlossene, aber winzige Minderheit von Männern, Frauen und Kindern aus meist armen Ländern, die sich, auf der Suche nach Arbeit oder Sicherheit, auf den Weg machen - ungeachtet des Risikos, dass sie dabei eingehen. Sie sind keine Kriminellen. Doch die restriktive Entschlossenheit der sich abschottenden Zielländer bewirkt das Gegenteil des beabsichtigten Effekts: Sie ist der Nährboden des kriminellen Menschenhandels. Das harte Durchgreifen der Aufnahmeländer gegen die illegale Einwanderung und der quasi-militärische Ausbau der Grenzen brachten einen rasanten Anstieg des Menschenhandels mit sich.

So wie die Politik gegenüber "weichen" Drogen wie Marihuana beruht auch diese Entwicklung auf einem alten Dilemma: Um die Situation zu kontrollieren, kriminalisiert die Politik etwas, was an sich noch keine kriminelle Handlung sein muss - und steigert damit erst den Anreiz für wirkliche Kriminelle, verbotene Aktivitäten zu betreiben.

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Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

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