Zur Debatte um die gesetzliche Krankenversicherung
Da die Mehrheit der Bevölkerung existenziell auf die sozialstaatlichen Sicherungen angewiesen ist und ihren Abbau ablehnt, haben restriktive Strategien in der Demokratie Legitimationsprobleme. Sie werden meist nicht offen debattiert, sondern erscheinen im Gewand von Sachzwängen. Wenn die Sachzwänge öffentlich zu einem Bedrohungsszenario dramatisiert worden sind, werden Restriktionen zu scheinbar zwingenden Schlussfolgerungen, ja Rettungstaten. So sagt der SPD-Vorsitzende Müntefering: "Wir Sozialdemokraten haben in der Vergangenheit die drohende Überalterung unserer Gesellschaft verschlafen. Jetzt sind wir aufgewacht. Unsere Antwort heißt: Agenda 2010! Die Demographie macht den Umbau unserer Sozialsysteme zwingend notwendig."1
Es kennzeichnet die gegenwärtige Situation, dass inhaltsgleiche Aussagen von Vertretern aller Parteien und ihrer Sachverständigen zu hören sind. Vereinheitlichend wirkt, dass Sozialpolitik im Bezugsrahmen (Frame) von demographischer Alterung und Globalisierung thematisiert wird. Das Framing eines öffentlichen Diskurses orientiert die Problemsicht auf ein Primärziel, an dem die anderen Ziele und Werte relativiert werden, grenzt bestimmte Handlungsoptionen aus und legt andere nahe.