Ausgabe Juni 2004

Markt und Mao

China zwischen wirtschaftlicher Reform und politischer Stagnation

Im Juni 1989 bereitete die chinesische Staats- und Parteiführung wochenlangen Kundgebungen auf Pekings "Platz des Himmlischen Friedens" ein gewaltsames Ende: Panzer und Soldaten vertrieben auf Geheiß des innersten chinesischen Führungszirkels die letzten Demonstranten. Wie viele Menschen dabei den Tod fanden, wie viele verwundet und verhaftet wurden, ist bis heute umstritten. Der Unmut, der in der chinesischen Hauptstadt, in Shanghai und andernorts die Menschen zu Hunderttausenden auf die Straßen getrieben hatte, forderte das Machtmonopol der seit 1949 regierenden Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) offen heraus. Die Angst um das revolutionäre Erbe und die eigene Macht entlud sich beim blutigen Militäreinsatz im Schutz der Nacht. Weltweit schockierte die Brutalität, mit der die chinesische Regierung auf die Forderungen ihrer Bürger reagierte, Politiker, Fernsehzuschauer und Chinaforscher gleichermaßen. Vergeblich schienen die Hoffnungen, die sich aus dem Wandel Chinas seit Beginn der Reformpolitik Ende der 70er Jahre speisten. Statt Ikonen des wirtschaftlichen Fortschritts prägten vorübergehend wieder Militäruniformen und Propagandaauftritte greiser Parteiführer das internationale Bild vom Reich der Mitte. Die wichtigsten westlichen Staaten mit Ausnahme Japans verhängten in hilfloser Symbolik Sanktionen. Der Liebling der Wirtschaftsbosse geriet – zumindest kurzzeitig – zum Paria der Weltgemeinschaft.

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Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

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