China zwischen wirtschaftlicher Reform und politischer Stagnation
Im Juni 1989 bereitete die chinesische Staats- und Parteiführung wochenlangen Kundgebungen auf Pekings "Platz des Himmlischen Friedens" ein gewaltsames Ende: Panzer und Soldaten vertrieben auf Geheiß des innersten chinesischen Führungszirkels die letzten Demonstranten. Wie viele Menschen dabei den Tod fanden, wie viele verwundet und verhaftet wurden, ist bis heute umstritten. Der Unmut, der in der chinesischen Hauptstadt, in Shanghai und andernorts die Menschen zu Hunderttausenden auf die Straßen getrieben hatte, forderte das Machtmonopol der seit 1949 regierenden Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) offen heraus. Die Angst um das revolutionäre Erbe und die eigene Macht entlud sich beim blutigen Militäreinsatz im Schutz der Nacht. Weltweit schockierte die Brutalität, mit der die chinesische Regierung auf die Forderungen ihrer Bürger reagierte, Politiker, Fernsehzuschauer und Chinaforscher gleichermaßen. Vergeblich schienen die Hoffnungen, die sich aus dem Wandel Chinas seit Beginn der Reformpolitik Ende der 70er Jahre speisten. Statt Ikonen des wirtschaftlichen Fortschritts prägten vorübergehend wieder Militäruniformen und Propagandaauftritte greiser Parteiführer das internationale Bild vom Reich der Mitte. Die wichtigsten westlichen Staaten mit Ausnahme Japans verhängten in hilfloser Symbolik Sanktionen. Der Liebling der Wirtschaftsbosse geriet – zumindest kurzzeitig – zum Paria der Weltgemeinschaft.