Jean-Claude Trichet ist verärgert. Mitte April schrieb der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) an die irische Ratspräsidentschaft und kritisierte den Entwurf der europäischen Verfassung.1 Trichet will das wichtigste geldpolitische Ziel seiner Euro-Bank in den Verfassungsrang erheben: In der Verfassung sollen nicht der Wunsch nach mehr Arbeitsplätzen oder eine Ankurbelung der Konjunktur festgeschrieben werden; aufgenommen werden soll lediglich das umstrittene Dogma der Preisstabilität. Dies kommt uns heute schon teuer zu stehen.
Mitte Mai nahm die europäische Regierungskonferenz über die Verfassung ihre Beratungen wieder auf. Im Gegensatz zu den bislang geltenden EU-Verträgen tauchte das Ziel Preisstabilität im Verfassungsentwurf nur unter ferner liefen auf. Im Dezember hatte der vorherige EU-Ratspräsident, der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi, sogar versucht, das Mandat der EZB nach amerikanischem Vorbild drastisch auszuweiten.2 Bislang kümmert sich die Euro-Zentralbank nur um Preise und nicht um die wirtschaftliche Entwicklung, nicht um Beschäftigung, ja nicht einmal wirklich um den Wechselkurs des Euro. All dies wollte Berlusconi in den Kanon der Europäischen Zentralbank aufnehmen, was einer Revolution in der europäischen Geldpolitik gleichkäme. Grundsätzlich schlug der italienische Rechtskonservative damit einen Weg ein, den auch große Teile der westeuropäischen Linken befürworten könnten.