Ausgabe November 2004

Preußen gegen Polen

Die deutsch-polnischen Beziehungen haben in der Nachkriegsgeschichte schon bessere Zeiten erlebt. Nicht nur vereinzelt wird die Ansicht vertreten, dass sie derzeit einen neuen Tiefpunkt erreicht haben. Abgesehen von außenpolitischen Differenzen, die oft aus divergierenden Interessen resultieren, werden sie erheblich von der Problematik der gegenseitigen Entschädigungsforderungen und der Debatte um das Zentrum gegen Vertreibungen überschattet. Trauriger Höhepunkt der Streitigkeiten war der jüngste Beschluss des polnischen Sejm zu deutschen Reparationsleistungen, der in der deutschen Presse umgehend als eine "Überreaktion", "polnische Provokation" oder als "politisch dumm" bezeichnet wurde.

Mittlerweile ist die paradoxe Situation entstanden, dass sich die beiden Nachbarstaaten, die sich selbst als strategische Partner in der Europäischen Union bezeichnen, aufgrund der Untätigkeit ihrer Eliten von Randgruppen und populistischen Bestrebungen regelrecht überrollen lassen. Ich werde an dieser Stelle vor allem die polnische Seite beleuchten.

Am 10. September fasste der polnische Sejm einen Beschluss "In der Angelegenheit polnischen Anrechts auf deutsche Kriegsreparationen und in der Angelegenheit der rechtswidrigen Ansprüche, die gegenüber Polen und seinen Bürgern in Deutschland erhoben werden". Dieser Beschluss wurde, was im polnischen Sejm keineswegs üblich ist, einstimmig verabschiedet.

Sie haben etwa 13% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 87% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema Recht

Frieden durch Recht

von Cinzia Sciuto

Am Anfang stand der 11. September 2001. Danach wurde die Lawine losgetreten: Ein langsamer, aber unaufhaltsamer Erdrutsch erfasste die internationale rechtliche und politische Ordnung. Ein Erdrutsch, der nach und nach die supranationalen Institutionen und die stets fragile, aber nie völlig illusorische Utopie einer friedlichen und auf dem Recht basierenden Weltordnung tief erschüttert hat