Ausgabe Januar 2006

Die Wissens-Optimierer

An die freudlose McKinsey-Sprache hat man sich in der Hochschulpolitik ja bereits gewöhnen müssen. Schon seit einigen Jahren werben Wissenschaftsminister und Hochschulrektoren für eine „Optimierung“ und „Effizienzsteigerung“ des Studienangebotes. Sie sprechen von „Synergieeffekten“ und „Clusterbildungen“, die man durch Fachverschmelzungen und Umstrukturierungen der Curricula erzielen könne, von einem „Outsourcing“ der „unprofitablen“ Fachrichtungen, der so genannten „Orchideenfächer“. Dank dieses Vokabulars klingen die Reformpläne oftmals beeindruckend durchdacht. Doch tatsächlich verbergen sie gleichzeitig, worum es eigentlich geht: um Umverteilung von Finanzmitteln und um schlichte Kürzungen.

An der Georg-August-Universität in Göttingen, um ein aktuelles Beispiel anzuführen, teilte die Hochsschulleitung kürzlich überraschend mit, mittelfristig die Fächer Politikwissenschaft, Pädagogik und Sportwissenschaft mehr oder minder ersatzlos streichen bzw. „ausmerzen“ zu wollen, wie es der Uni- Präsident formulierte. Der Masterplan der Wissenschaftsplaner sieht vor, den Status der Soziologen zu stärken und diese innerhalb einer „virtuellen Universität Niedersachsen“ zu „clustern“. Bei den drei abgebauten Fachrichtungen sollen künftig bloß noch einige Lehrer „berufsqualifizierend“ ausgebildet werden.

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Aktuelle Ausgabe Oktober 2025

In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.

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