Ausgabe Januar 2006

Die Wissens-Optimierer

An die freudlose McKinsey-Sprache hat man sich in der Hochschulpolitik ja bereits gewöhnen müssen. Schon seit einigen Jahren werben Wissenschaftsminister und Hochschulrektoren für eine „Optimierung“ und „Effizienzsteigerung“ des Studienangebotes. Sie sprechen von „Synergieeffekten“ und „Clusterbildungen“, die man durch Fachverschmelzungen und Umstrukturierungen der Curricula erzielen könne, von einem „Outsourcing“ der „unprofitablen“ Fachrichtungen, der so genannten „Orchideenfächer“. Dank dieses Vokabulars klingen die Reformpläne oftmals beeindruckend durchdacht. Doch tatsächlich verbergen sie gleichzeitig, worum es eigentlich geht: um Umverteilung von Finanzmitteln und um schlichte Kürzungen.

An der Georg-August-Universität in Göttingen, um ein aktuelles Beispiel anzuführen, teilte die Hochsschulleitung kürzlich überraschend mit, mittelfristig die Fächer Politikwissenschaft, Pädagogik und Sportwissenschaft mehr oder minder ersatzlos streichen bzw. „ausmerzen“ zu wollen, wie es der Uni- Präsident formulierte. Der Masterplan der Wissenschaftsplaner sieht vor, den Status der Soziologen zu stärken und diese innerhalb einer „virtuellen Universität Niedersachsen“ zu „clustern“. Bei den drei abgebauten Fachrichtungen sollen künftig bloß noch einige Lehrer „berufsqualifizierend“ ausgebildet werden.

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Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

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