Ausgabe Januar 2006

Israelische Rochaden

Es rührt sich zurzeit etwas in Israel. Nicht nur hat Premierminister Ariel Scharon den Abzug aus dem Gazastreifen vollzogen; nicht nur hat er aus dem innerparteilichen Debakel, welches dieser Akt zeitigte, die politische Konsequenz gezogen und ist aus dem Likud geschieden, um eine neue Parteigründung zu lancieren, sondern auch bei der gegnerischen Arbeitspartei ist Unvorstellbares geschehen: Der staatsmännisch renommierte Politprofi Schimon Peres, bei dem es zuweilen scheinen mochte, als würde er alle Aspiranten auf seine Nachfolge überleben, ist von Amir Peretz, einem nicht dem klassischen Parteiestablishment angehörenden Gewerkschaftspolitiker, aus dem Amt des Parteivorsitzenden katapultiert worden, um kraft seiner neu errungenen Machtposition die Koalitionspartnerschaft mit dem Likud aufzukündigen und vorgezogene Neuwahlen im kommenden März zu erzwingen.

Alles keine selbstverständlichen Geschehnisse. Denn ein aus den besetzten Gebieten sich zurückziehender Scharon unterwandert nicht nur sein politisches Kapital als Ziehvater, ideologischer Förderer und tatkräftiger Unterstützer der Siedlerbewegung, sondern zerstört zugleich auch, konsequent zu Ende gedacht, das, was man gemeinhin als sein eigentliches Lebenswerk anzusehen pflegt, nämlich das über Jahrzehnte beharrlich gewachsene Siedlungswerk.

Sie haben etwa 11% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 89% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Flucht vor der Verantwortung: Lieferkettengesetze am Ende?

von Merle Groneweg

Der 11. September erinnert nicht nur an den Einsturz des World Trade Centers in New York, sondern auch an eine der schwersten Katastrophen in der Textilindustrie: den Brand in der Fabrik Ali Enterprises in Karatschi, Pakistan.

Ohne EU-Mindestlohn kein soziales Europa

von Roland Erne

Nach Jahren antisozialer Politik infolge der Finanzkrise von 2008 standen soziale Fragen in der vergangenen Legislatur der EU wieder weiter oben auf der Agenda. Zwischen 2022 und 2024 verabschiedeten das EU-Parlament und der Rat seit langem wieder mehrere soziale EU-Gesetze, darunter die Richtlinie über „angemessene Mindestlöhne in der Europäischen Union“.

Drei Millionen ohne Abschluss: Was tun?

von Maike Rademaker

Die Zahl war lediglich einen Tag lang einige Schlagzeilen wert: Rund 2,9 Millionen junge Menschen zwischen 20 und 34 Jahren hierzulande haben keinen Berufsabschluss. Maike Rademaker analysiert Gründe und Lösungsansätze.