Ausgabe Oktober 2007

Der Preis des Wunders

Indien zwischen wirtschaftlichem Aufstieg und sozialem Abstieg

In den letzten Jahren hat das „offizielle“ Indien sich wegen seiner beschleunigten Wachstumsraten und der Annahme, diese brächten eine Verringerung der Armut im Lande mit sich, gerne selbst auf die Schultern geklopft. Und in diesen Chor der Lobredner sind nicht wenige renommierte Weltagenturen, insbesondere die Bretton-Woods-Institutionen (also Weltbank und IWF), begeistert eingefallen.

Unbestreitbar hat die indische Wirtschaft sich unter den Bedingungen der gegenwärtigen Globalisierung, gemessen an den Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts (BIP), in letzter Zeit besser geschlagen als im vorausgegangenen Jahrzehnt. Es erscheint jedoch ein wenig verfrüht, die jüngste Beschleunigung (während der letzten drei bis vier Jahre) so zu interpretieren, als habe das wirtschaftliche Wachstum eine neue Dimension erreicht, die Steigerungsraten von acht bis zehn Prozent für das ganze kommende Jahrzehnt oder auch nur die nächsten fünf Jahre hindurch garantiere. Dennoch stellen die hohen und anhaltenden BIP-Wachstumsraten bei niedriger bis mäßiger Inflation während des Betrachtungszeitraums sowie das Ausbleiben größerer Finanzkrisen seit Anfang der 90er Jahre offenkundig die Aktivposten der indischen Bilanz dar. Zudem ist das Land für ausländische Investoren zweifellos attraktiver geworden, was sich an der Zunahme der Devisenreserven (derzeit ungefähr 180 Mrd.

Sie haben etwa 4% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 96% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Flucht vor der Verantwortung: Lieferkettengesetze am Ende?

von Merle Groneweg

Der 11. September erinnert nicht nur an den Einsturz des World Trade Centers in New York, sondern auch an eine der schwersten Katastrophen in der Textilindustrie: den Brand in der Fabrik Ali Enterprises in Karatschi, Pakistan.

Ohne EU-Mindestlohn kein soziales Europa

von Roland Erne

Nach Jahren antisozialer Politik infolge der Finanzkrise von 2008 standen soziale Fragen in der vergangenen Legislatur der EU wieder weiter oben auf der Agenda. Zwischen 2022 und 2024 verabschiedeten das EU-Parlament und der Rat seit langem wieder mehrere soziale EU-Gesetze, darunter die Richtlinie über „angemessene Mindestlöhne in der Europäischen Union“.

Drei Millionen ohne Abschluss: Was tun?

von Maike Rademaker

Die Zahl war lediglich einen Tag lang einige Schlagzeilen wert: Rund 2,9 Millionen junge Menschen zwischen 20 und 34 Jahren hierzulande haben keinen Berufsabschluss. Maike Rademaker analysiert Gründe und Lösungsansätze.