Dass der „Spiegel“, einst selbsternanntes „Sturmgeschütz der Demokratie“, schon lange nicht mehr das ist, was er einmal war, wusste man nicht erst seit Franziska Augsteins großer Attacke gegen Chefredakteur Stefan Aust (in: „Blätter“, 12/2005, S. 1492- 1502). „Der Fisch stinkt vom Kopf“, lautete damals das polemische Fazit der Gründertochter.
Nun ist der Kopf ab, jedenfalls fast, doch der Fisch stinkt immer noch. Wie es Aas eben so an sich hat. Wo aber tierische Reste langsam verwesen, lassen die Aasgeier bekanntlich nicht lange auf sich warten. So auch in diesem Fall. Denn während das einstige Leitmedium des investigativen Journalismus weiter vor sich hin gammelt, hat ein Anderer längst Witterung aufgenommen – was den vakanten Platz der Gesellschaftskritik anbelangt.
Kai Diekmann, seines Zeichens Chefredakteur der „Bild“-Zeitung und als solcher Herr und Meister über „Blut und Bohlen“ (Matthias Greffrath), ist unter die Gesellschaftsanalytiker und Kulturkritiker gegangen. „Der große Selbst-Betrug“ lautet sein jüngstes Machwerk, das immerhin bei „Piper“ erschienen ist – einst Hausverlag der großen Philosophen und Zeitdiagnostiker Hannah Arendt und Karl Jaspers. Auch das Ausdruck eines bemerkenswerten Strukturwandels der Öffentlichkeit.