Ausgabe Januar 2008

Wachstum und Widerstand

Der Kampf der chinesischen Wanderarbeiter

Im Oktober 2007 beschloss der Nationale Volkskongress als das laut Verfassung höchste chinesische Staatsorgan, dass die Volksrepublik eine „harmonische Gesellschaft“ sei. Demgegenüber weisen die zunehmenden sozialen Konflikte im Land eher in die entgegengesetzte Richtung. Die entscheidende Frage lautet daher, ob sich der brutale Manchesterkapitalismus der frühen Jahre der Dengschen Reformpolitik zu einem sozialdemokratischen Kapitalismus wandeln kann.

Eine bedeutende Rolle wird dabei die Umsetzung des von der chinesischen Regierung im Juli 2007 verabschiedeten neuen Arbeitsgesetzes spielen. Denn die Wende von der autoritären Planwirtschaft zur despotischen Wachstumsmarktwirtschaft1 – mit ihren riesigen Sweatshops für den Export und Ziegeleien mit versklavten Kindern, aber auch mit High-Tech-Parks, „Silicon- Cities“ und postmodernen Shopping-Malls – hat gleichzeitig eine Vielzahl neuer Arbeitsregime entstehen lassen.2 Dabei haben Entstaatlichung, Massenmigration vom Land in die Städte und Privatisierung neue soziale Klassen geschaffen; insbesondere die 200 Millionen Migrantinnen und Migranten gelten als „neues Proletariat“ und sozialer Krisenherd beim langen Marsch Chinas in den Weltmarkt.3 Es sind vor allem ihre sozialen Kämpfe, die die Verrechtlichung und Verbesserung der Arbeitsbeziehungen sowohl mit Blick auf den Staat als auch gegenüber den Unternehmen vorantreiben.

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