Wie der Europäische Gerichtshof die Gewerkschaftsmacht aushebelt
Die sogenannte Rüffert-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 3. April 2008 hat für großes Aufsehen gesorgt – leider jedoch fast nur in gewerkschaftlichen Kreisen.1 Der Europäische Gewerkschaftsbund redet von einem „besorgniserregenden Fall“, nach Auffassung des DGB gefährdet der EuGH „den sozialen Frieden in Europa“, und die IG Bau sieht darin gar einen „Schritt hin zum Raubtierkapitalismus“.
Tatsächlich geht die Bedeutung der Entscheidung weit über gewerkschaftliche Fragen hinaus und offenbart eine grundsätzliche Krise der Europäischen Union. Einerseits wird immer deutlicher, dass ihre ursprüngliche soziale Architektur nicht mehr trägt, wonach die Sozialpolitik der Nationalstaaten das Gegengewicht zur europäischen Wirtschaftsverfassung schaffen sollte. Denn die Nationalstaaten geraten angesichts von Binnenmarkt und Währungsunion selber immer stärker unter Druck und können Lohn- und Sozialdumping nicht mehr wirksam bekämpfen. Andererseits ist die Europäische Union nicht in der Lage, hier Abhilfe zu schaffen.