Ausgabe Dezember 2009

Haager Hängepartien

Deutschland-Tage („Dani Nemacˇke“) fanden Ende Oktober in Belgrad statt, wovon jedoch in Serbien kaum jemand Notiz nahm – und in Deutschland erst recht nicht. Hier wie dort interessierte anderes: Im niederländischen Scheveningen boykottierte am 26. Oktober Radovan Karadžic´, von Januar 1992 bis Juni 1996 Präsident der „Republika Srpska“ in Bosnien, den Beginn seines Prozesses vor dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY). Nur einen Tag später flog aus Schweden Biljana Plavšic´, weiland Karadžic´s rechte Hand, Nachfolgerin und spätere Todfeindin, in Belgrad ein, nachdem sie zwei Drittel einer elfjährigen Haftstrafe verbüßt hatte, die das ICTY 2003 gehen sie verhängte.

Dieses zufällige Zusammentreffen Karadžic´-Plavšic´ steht symbolhaft für alles, was das Tribunal wollte und (nicht) vermochte. Das ICTY, das laut UN-Sicherheitsratsbeschluss seine Tätigkeit 2010 beenden soll, wird diesen Termin nicht einhalten können. Wie sein Präsident Patrick Robinson Anfang Oktober 2009 in seinem 16. Jahresbericht an die UN-Vollversammlung ausführte, hat das Gericht insgesamt 161 Anklagen ausgesprochen und bis Juli 2009 120 von ihnen zum Abschluss gebracht.

Sie haben etwa 8% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 92% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Frieden durch Recht

von Cinzia Sciuto

Am Anfang stand der 11. September 2001. Danach wurde die Lawine losgetreten: Ein langsamer, aber unaufhaltsamer Erdrutsch erfasste die internationale rechtliche und politische Ordnung. Ein Erdrutsch, der nach und nach die supranationalen Institutionen und die stets fragile, aber nie völlig illusorische Utopie einer friedlichen und auf dem Recht basierenden Weltordnung tief erschüttert hat