Ausgabe Juni 2009

Im Umkreis von Faktizität und Geltung

Theorie und Praxis: Jürgen Habermas zum 80.

Wir trafen uns in Jürgen Habermas’ Frankfurter Wohnung in der Myliusstraße, um über ein Forschungsprogramm zu sprechen. Während er Kaffee zubereitete, las ich einen Brief, mit dem ihm zum Leibnizpreis der Deutschen Forschungsgemeinschaft gratuliert wurde. Ich staunte über ein ungewöhnliches Preisgeld in Millionenhöhe. Es war der erste Leibnizpreis, der für herausragende Forschungen verliehen wurde; was er bedeutete, war mir daher auch nicht gleich klar. Doch der spontane Eindruck, es könne sich um Geld handeln, das dem Privatvermögen zufiele, zerstreute sich schnell. Habermas stellte sich vor, eine kleine Gruppe jüngerer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu gründen, die sich mit Fragen der Rechts- und Demokratietheorie befassen sollte. Es war die Geburtsstunde der „AG Rechtstheorie“.

Für jemanden, der in der zweiten Hälfte der 70er Jahre Philosophie und später auch Rechtswissenschaften in Frankfurt am Main zu studieren begonnen hatte, war dies eine überaus glückliche Fügung. Mit meinen Kommilitonen gehörte ich zu einer Zwischengeneration, die spürte, dass der kritisch-utopische Impuls der 68er, die wir mit einer Mischung aus Bewunderung und Distanz betrachteten, sich nach und nach verbraucht hatte.

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In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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