Ausgabe Juni 2009

Im Umkreis von Faktizität und Geltung

Theorie und Praxis: Jürgen Habermas zum 80.

Wir trafen uns in Jürgen Habermas’ Frankfurter Wohnung in der Myliusstraße, um über ein Forschungsprogramm zu sprechen. Während er Kaffee zubereitete, las ich einen Brief, mit dem ihm zum Leibnizpreis der Deutschen Forschungsgemeinschaft gratuliert wurde. Ich staunte über ein ungewöhnliches Preisgeld in Millionenhöhe. Es war der erste Leibnizpreis, der für herausragende Forschungen verliehen wurde; was er bedeutete, war mir daher auch nicht gleich klar. Doch der spontane Eindruck, es könne sich um Geld handeln, das dem Privatvermögen zufiele, zerstreute sich schnell. Habermas stellte sich vor, eine kleine Gruppe jüngerer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu gründen, die sich mit Fragen der Rechts- und Demokratietheorie befassen sollte. Es war die Geburtsstunde der „AG Rechtstheorie“.

Für jemanden, der in der zweiten Hälfte der 70er Jahre Philosophie und später auch Rechtswissenschaften in Frankfurt am Main zu studieren begonnen hatte, war dies eine überaus glückliche Fügung. Mit meinen Kommilitonen gehörte ich zu einer Zwischengeneration, die spürte, dass der kritisch-utopische Impuls der 68er, die wir mit einer Mischung aus Bewunderung und Distanz betrachteten, sich nach und nach verbraucht hatte.

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In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

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