Nach der japanischen Unterhauswahl vom 30. August war zu Recht von einer Zeitenwende und einem politischen Erdbeben die Rede. Mit dem Verlust von zwei Dritteln ihrer Mandate stürzte die seit 1955 fast ununterbrochen herrschende Liberaldemokratische Partei (LDP) von bisher 296 auf 119 Sitze ab. Die 1996 gegründete oppositionelle Demokratische Partei Japans (DPJ) verdreifachte ihre Abgeordnetenzahl dagegen nahezu, von 115 auf 308 Sitze.
Der Wahlsieg der DPJ stellt bereits heute eine Zäsur dar, die etwa der bundesdeutschen Situation von 1969 vergleichbar ist, als SPD und FDP die 20jährige Regentschaft der CDU beendeten. Danach war die Bundesrepublik innen- und außenpolitisch nicht mehr dieselbe.
In der Vergangenheit waren die Wahlen in Japan stets dadurch gekennzeichnet, dass sich die Veränderungen lediglich im einstelligen Prozentbereich bewegten. Zugleich war die Wahlbeteiligung niedrig, oft unter 50 Prozent. Dieses Mal lag die Wahlbeteiligung dagegen bei 69 Prozent.
Dieser Zuwachs ist nicht nur mit dem tiefen Unmut der Wählerinnen und Wähler über die bisherige Koalition aus LDP und Neuer Komeito zu erklären. Er liegt vielmehr wesentlich in der Einführung eines neuen Wahlsystems in den 90er Jahren begründet, das eine Mischung aus Direkt- und Verhältniswahl vorsieht (wobei der Direktwahlstimme wesentlich größere Bedeutung zukommt als im deutschen Wahlrecht).