Ausgabe Juni 2010

Kein Ort, nirgends

Die vergebliche Suche nach der deutschen Leitkultur - Eine Replik auf Josef Isensee

In der März-Ausgabe der „Blätter“ warnte Josef Isensee vor der „Integrationsresistenz des Islam“ und der „Selbstpreisgabe deutscher Identität“. Dagegen gelte es, die „kulturellen Grundlagen der nationalen Einheit” zu schützen. Sie bilden für Isensee die „Leitkultur, die der Verfassungsstaat mit seinen begrenzten Mitteln auch gegenüber Millionen Gebietsansässigen aus fremden Kulturräumen gegenüber ‚kulturellen Minderheiten’ aufrechtzuerhalten und zu pflegen hat.“[1]

Bevor wir uns in den Kampf um unsere Leitkultur stürzen, sollten wir uns einige Tatsachen vor Augen führen. Die erste Tatsache, ja die Grundtatsache schlechthin, besteht darin, dass die Bundesrepublik im Laufe der letzten vier Jahrzehnte zu einer Einwanderergesellschaft geworden ist – zunächst unmerklich, später dann etwas widerwillig, seit Anfang dieses Jahrhunderts dann immerhin ganz bewusst, doch zu keinem Zeitpunkt unter dem Joch irgendeiner Fremdherrschaft, wie es bei konservativen Stimmen vom Schlage Isensees immer wieder anklingt.

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In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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