Ausgabe Juli 2011

Nordafrikanische Erfolgsgeschichten?

Jahrelang wurden Tunesien und Ägypten vom Internationalen Währungsfonds (IWF) und von der Weltbank als „Erfolgsstorys“ bezeichnet. Tunesien galt als „Musterknabe“ der Strukturanpassung, während Ägypten für sein gutes Investitionsklima gefeiert wurde. Im vergangenen Jahrzehnt erzielten die beiden Staaten laut Angaben der internationalen Finanzorganisationen jährliche Wachstumsraten von durchschnittlich vier bis sechs Prozent. Selbst die internationale Finanzkrise habe lediglich eine vorübergehende „Wachstumsdelle“ hinterlassen. Neben einem stetig steigenden Pro-Kopf-Einkommen verzeichneten viele arabische Staaten wie Tunesien, Algerien oder der Oman auch große Fortschritte bei den Indikatoren der menschlichen Entwicklung – sie zählen zu den zehn Ländern, die sich seit 1980 am stärksten verbessern konnten.[1]

Umso mehr musste überraschen, dass hohe Arbeitslosigkeit und fehlende Zukunftsperspektiven gerade junger und darüber hinaus gut ausgebildeter Menschen maßgeblich zu den arabischen Revolutionen beitrugen. Tatsächlich aber haben regionale wie internationale Experten seit Jahren genau vor dieser Situation gewarnt – einem starken „Jugendüberhang“, den die Arbeitsmärkte der Region nicht absorbieren können.

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Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

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