Geht es Indien heute erstaunlich gut oder ist dieses Land dabei, auf der ganzen Linie zu scheitern? Welche Antwort man auf diese Frage bekommt, hängt ganz davon ab, mit wem man spricht. Bei einer – allerdings ziemlich großen – Minderheit, nämlich bei Indern, denen es sehr gut geht (und in den vor allem für diese Leute bestimmten Medien), ist eine Erzählung sehr beliebt, die ungefähr so klingt: „Nach jahrzehntelanger Mittelmäßigkeit und Stagnation unter dem ‚Nehru-Sozialismus‘ konnte die indische Wirtschaft in den letzten beiden Dekaden einen spektakulären Aufschwung nehmen. Und dieser Aufschwung, der beispiellose Verbesserungen der Pro-Kopf-Einkommen bewirkte, wurde vor allem durch marktwirtschaftliche Initiativen in Gang gebracht und vorangetrieben. Zwar ging er mit einer beträchtlichen Zunahme der Ungleichheit einher, aber dieses Phänomen tritt in Perioden raschen Wachstums stets auf. Im Laufe der Zeit werden dessen Wohltaten sicherlich auch den Ärmsten zugute kommen, und wir befinden uns entschieden schon auf dem Wege zu diesem Zustand.
In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.