Ausgabe November 2015

Katalanische Sackgasse

Bei den zum Plebiszit erklärten katalanischen Regionalwahlen vom 27. September haben die Separatisten gewonnen.Doch wer sich von dem Urnengang Klarheit über die Zukunft Spaniens versprochen hat, sieht sich getäuscht. Zwar haben die beiden Pro-Unabhängigkeitslisten Junts pel Sí und CUP mit 72 Sitzen eine absolute Mehrheit im Parlament errungen; zählt man allerdings – wie bei einem offiziellen Referendum üblich – die abgegebenen Stimmen, haben sich bloß 47,8 Prozent klar für ein „Ja“ ausgesprochen. Das kann man drehen und wenden, wie man will: Eine absolute Mehrheit ist das nicht.

Damit ist die einseitige Unabhängigkeitserklärung, mit der manche Separatisten geliebäugelt haben, vorerst vom Tisch. Doch der eigentliche Konflikt ist keineswegs beigelegt und wird Spanien noch lange beschäftigen. Denn dass „gut 52 Prozent der Katalanen in Spanien bleiben wollen“, wie konservative spanische Tageszeitungen wie „El Mundo“ oder „ABC“ schrieben, ist ebenfalls nicht richtig. Unter denjenigen, die ihr Kreuzchen bei Catalunya Sí que es Pot, der katalanischen Podemos-Variante, gemacht haben, würden einige bei einem echten Referendum mit klaren Zukunftsszenarien wohl mit Ja stimmen; Ähnliches gilt sicher für einen Teil der katalanischen Sozialisten.

Sie haben etwa 9% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 91% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1.00€)
Digitalausgabe kaufen (10.00€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Politik vor Recht: Die Aushöhlung der liberalen Demokratie

von Miguel de la Riva

Als der FPÖ-Chefideologe und heutige Parteivorsitzende Herbert Kickl im Januar 2019 in einem ORF-Interview darauf angesprochen wurde, dass seine Asylpläne an die Grenzen von EU-Recht, Menschenrechtskonvention und Rechtsstaat stoßen, antwortete der damalige österreichische Innenminister, „dass das Recht der Politik zu folgen hat und nicht die Politik dem Recht“.

Ernst, aber nicht hoffnungslos

von Thorben Albrecht, Christian Krell

Spätestens seit Ralf Dahrendorfs berühmt gewordener These vom „Ende des sozialdemokratischen Jahrhunderts“ gehören SPD-Niedergangsprognosen zu den Klassikern der parteibezogenen Publizistik. Die Partei hat diese Prognose bisher um 42 Jahre überlebt. Aber das konstituiert keine Ewigkeitsgarantie.