Ausgabe September 2015

Das Ende der Deutungshoheit

Die Vierte Gewalt und die neue Macht der Vielen

„Lügenpresse – auf die Fresse“ – diesen Slogan, gern kehlig gebrüllt und rhythmisch wiederholt, kennt man von einschlägigen Aufmärschen am rechten Rand. Heute gehört er zum Vokabular der Pegida-Demonstrationen und ihrer diversen Ableger. Mittlerweile aber wird er auch in leicht abgemilderter Form (zumeist ohne die „Fresse“) von biederen Familienvätern in die Kameras der Rundfunkanstalten gesprochen. Schon das ist ein wenig paradox – denn die Sender, vor allem die des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, zählen selbstverständlich mit zur „Lügenpresse“, der man angeblich nicht trauen könne.

Die ganz große Welle von Pegida & Co. ist zwar wieder abgeflaut und die Szene zerlegt sich gerade selbst. Doch der Vorwurf bleibt im Raum: „Was ihr da macht, hat mit uns nichts zu tun.“ Das Vertrauen in die klassischen Medien ist empfindlich gestört. Folgt auf die allgemeine Politikverdrossenheit jetzt also die allgemeine Medienverdrossenheit?

Jedenfalls macht es sich zu leicht, wer das Phänomen nur auf rechte Spinner einengt und als Problem der von ihnen unterwanderten tumben und zum Glück nicht mehr ganz so zahlreichen Massen begreift. Gewiss wurde vieles an dieser „Medienkritik“ zunächst von rechts gestreut.

Sie haben etwa 5% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 95% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (2.00€)
Digitalausgabe kaufen (10.00€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Oktober 2025

In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Immer jünger, immer rechter: Teenager mit Baseballschlägern

von David Begrich

Ihre Haare sind kurz, gescheitelt und streng gekämmt. Sie zeigen den White Power- oder gar den Hitlergruß. Ist der Aufschwung der rechtsextremen Jugendszene wirklich etwas Neues – oder nur eine Fortsetzung neonazistischer Gewalt?

Maskulin und libertär

von Stefan Matern, Sascha Ruppert-Karakas

Echte Männer sind rechts“ – das auf Social Media viral gegangene Video des AfD-Politikers Maximilian Krah ist mehr als nur ein lapidares Bekenntnis zu traditionellen Familien- und Geschlechterrollen. Es ist vielmehr der strategische Versuch, junge Menschen niedrigschwellig an AfD-Positionen heranzuführen. Im provokanten Politainmentstil bespielt die Partei auf den digitalen Plattformen unpolitisch anmutende Themen rund um die Probleme und persönlichen Unsicherheiten junger Männer.