Ausgabe Oktober 2017

Österreich: Das Ende der Zweiten Republik

Als am Abend des 24. September die verheerenden Ergebnisse der deutschen Sozialdemokratie über die Mattscheibe flimmerten, folgten dem auch die Genossinnen und Genossen in Österreich mit angehaltenem Atem und wachsendem Entsetzen. Denn hier wird am 15. Oktober der Nationalrat neu gewählt und auch hier liegt der sozialdemokratische Kandidat, Bundeskanzler Christian Kern, deutlich hinter Sebastian Kurz und dessen zur „Liste Kurz“ mutierten konservativen Volkspartei. Tatsächlich scheint Kern Mühe zu haben, seine SPÖ überhaupt noch zu mobilisieren: „Wem es zu bequem ist, der soll es jetzt sagen“, forderte er auf einem SPÖ-Parteitag am 4. August, um anschließend fast flehentlich in die Runde zu fragen: „Was ist mit euch? Werdet ihr mit mir rennen?“

Faktisch ist der Amtsinhaber längst zum (zunehmend abgehängten) Herausforderer geworden, Martin Schulz lässt grüßen. Dabei kann man den Genossen die aufkommende Müdigkeit kaum verdenken. Hinter ihnen liegen Wochen eines verkorksten Wahlkampfes, in dem schlicht alles schiefzugehen schien, was schiefgehen konnte: von einem Handgemenge zwischen zwei Kern-Mitarbeitern über den Rückzug des Kampagnen-Chefs Stefan Sengl bis hin zur Verhaftung des Kern-Beraters Tal Silberstein in Israel.

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In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

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