Ausgabe Oktober 2020

Sinn Féin: Von der Guerilla in die Regierung

Wenn es jemanden gibt, der außer der Schutzmaskenindustrie und den Desinfektionsmittelherstellern von der Pandemie profitiert, dann die neue Regierung Irlands. Diese historische Koalition von Wahlverlierern ist Anfang Oktober 100 Tage im Amt. Viele Beobachter hatten ihr nicht so viel Zeit eingeräumt. Doch trotz einer enorm hohen Arbeitslosigkeit – im August erhielten 15,5 Prozent der Bevölkerung im erwerbstätigen Alter Zahlungen aus dem Pandemie-Hilfsfonds, im April waren es sogar 29 Prozent, während die Erwerbslosigkeit vor der Krise nur bei 4,8 Prozent lag – dreht sich die öffentliche Debatte der letzten Monate primär um die Frage: Wann können die Pubs trotz Pandemie endlich wieder aufmachen?

Im Juni wurde Micheál Martin von der konservativen Fianna Fáil als Taoiseach, Premierminister, vereidigt. Bis Dezember 2022 steht er einer konservativ-grünen Dreierkoalition vor. Danach übernimmt wieder der bisherige Regierungschef Leo Varadkar von der rechts-konservativen Fine Gael. Obwohl beide Parteien sich politisch kaum unterscheiden, hatten Fianna Fáil und Fine Gael zuvor noch nie gemeinsam regiert. Erstmals seit der Unabhängigkeit nach dem Angloirischen Krieg von 1919-21 stimmten die Fine-Gael-Abgeordneten für einen Fianna-Fáil-Regierungschef.

Oktober 2020

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Aktuelle Ausgabe Oktober 2025

In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.

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