Ausgabe September 1990

Die neue Front

Während der Golfkonflikt Mitte August auf den point of no return zusteuerte ("heiliger Krieg" vs. "Kreuzzug der zivilisierten Welt"), präsentierten sich NATO-Außenminister und -Generalsekretär bei ihrem Brüsseler Krisen-tete-?-tete vor laufenden Kameras als launige Strahlemänner. Mit gutem Grund.

Denn das westliche Bündnis scheint auf dem besten Wege, seine tiefe Sinnkrise nach dem Ende des Kalten Krieges dank des Glücksfalls Irak zu überwinden - und das unter denkbar günstigen Bedingungen.

Glücksfall Irak

Zunächst einmal läßt sich kaum ein handlicheres Feindbild denken. Der irakische Diktator ist dem politischen Durchschnittskonsumenten in Amerika und Westeuropa in erster Linie f r e m d, wie die Al Sauds, Arafats, Khomeinis und Gaddafis (einen schönen Versuch, die Region "weit hinten" den hiesigen Menschen nahezubringen, unternahm das ZDF-heute journal: "In Arabien ist freitags Sonntag."). Und er hatte schon vor dem casus belli Kuwait ein beträchtliches Sündenregister angehäuft: der Überfall auf Iran, der ihm (getreu dem Grundsatz Der Feind meines Feindes...) erst gegen Ende des Golfkriegs angelastet wurde, vor allem aber der Einsatz von Giftgas gegen die kurdische Bevölkerungsminderheit des Irak. Saddam Hussein - ein echter outcast der Weltgemeinschaft.

September 1990

Sie haben etwa 9% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 91% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Dezember 2025

In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Vom Proletariat zum Pöbel: Das neue reaktionäre Subjekt

von Micha Brumlik

Gewiss, es waren keineswegs nur Mitglieder der US-amerikanischen weißen Arbeiterklasse, die Donald Trump an die Macht gebracht haben. Und doch waren es auch und nicht zuletzt eben jene Arbeiter und Arbeitslosen – und genau hier liegt das eigentliche Erschrecken für die Linke.