Bringen wir es sofort auf den Punkt: die stärkste Opposition gegen Ministerpräsident Silvio Berlusconi in Italien ist der Eigentümer der Fininvest-Holding Silvio Berlusconi. Der erste wird über den zweiten stolpern oder stürzen; bleibt die Frage nach dem genauen Zeitpunkt. Die meisten politischen Akteure hinter den Kulissen hoffen oder tippen auf einen Monat mit einstelliger Zahl im Jahr 1995. Mit der Möglichkeit, daß Berlusconi die Legislaturperiode, die noch nicht einmal ein Jahr alt ist, übersteht, rechnet niemand. Außer - und dies muß den Optimisten unter seinen politischen Gegnern und den Pessimisten in seiner eigenen Partei Forza Italia gesagt werden - Berlusconi vollbringt ein "neues italienisches Wunder". Gängigerweise wird angenommen, Berlusconi sei geschwächt, weil er als Ministerpräsident ein unpopuläres Regierungsprogramm - besonders was den Haushaltsentwurf mit seinen massiven Kürzungen im Sozialetat betrifft - zu vertreten und zu verantworten habe, wovon seine Koalitionspartner, allen voran der Sekretär der faschistischen Partei MSI und Koordinator der Alleanza Nazionale, Gianfranco Fini, profitieren.
In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist.