Seit 1990 ist der Eindruck entstanden, das Parteiensystem des neuen Deutschland existiere in zwei Varianten oder berge ein Subsystem in sich - im Westen faktisch ohne, im Osten mit der PDS und bald vielleicht ohne FDP. Die Ergebnisse der Wahlen, die in den ostdeutschen Ländern und Kommunen nach 1993/94 und zuletzt im Oktober 1995 in Berlin zum Abgeordnetenhaus (AH) und zu den Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) stattfanden, haben diesen Eindruck bestätigt und sind als Indiz für eine fortdauernde OstWest-Teilung interpretiert worden. Wie peinlich, war doch seit der Öffnung der Mauer und der Prophezeiung, das nun zusammenwachse, was zusammengehöre, die Erwartung gehegt worden, daß nach der Vereinigung gerade in der neuen Bundeshauptstadt der Einheitsprozeß unter Laborbedingungen würde ablaufen können: In Berlin hatten bereits vor dem 3. Oktober 1990 Senat (West) und Magistrat (Ost) im Vorgriff auf die künftige gemeinsame Regierung den "Magisenat" gebildet; hier entstand rasch ein einheitlicher Arbeitsmarkt, wurde die Polizei im Osten aus dem Westen geführt und mit dem Personalaustausch zwischen den Verwaltungen begonnen.
In der Januar-Ausgabe skizziert der Journalist David Brooks, wie die so dringend nötige Massenbewegung gegen den Trumpismus entstehen könnte. Der Politikwissenschaftler Philipp Lepenies erörtert, ob die Demokratie in den USA in ihrem 250. Jubiläumsjahr noch gesichert ist – und wie sie in Deutschland geschützt werden kann. Der Politikwissenschaftler Sven Altenburger beleuchtet die aktuelle Debatte um die Wehrpflicht – und deren bürgerlich-demokratische Grundlagen. Der Sinologe Lucas Brang analysiert Pekings neue Friedensdiplomatie und erörtert, welche Antwort Europa darauf finden sollte. Die Journalistinnen Susanne Götze und Annika Joeres erläutern, warum die Abhängigkeit von Öl und Gas Europas Sicherheit gefährdet und wie wir ihr entkommen. Der Medienwissenschaftler Roberto Simanowski erklärt, wie wir im Umgang mit Künstlicher Intelligenz unsere Fähigkeit zum kritischen Denken bewahren können. Und die Soziologin Judith Kohlenberger plädiert für eine »Politik der Empathie« – als ein Schlüssel zur Bekämpfung autoritärer, illiberaler Tendenzen in unserer Gesellschaft.