Ausgabe November 1998

Pop goes the culture

Gibt es irgendwo in unserer vernetzten Welt einen Menschen, der nicht weiß, daß am 14. Mai 1998 die Seinfeld-Serie auslief und Frank Sinatra starb? Seinfelds letzter Auftritt und Sinatras Tod - beides geschah in fast grotesker Gleichzeitigkeit. Die Nachricht und die ihr folgenden Bilder flossen innerhalb von Sekunden in Amerikas Medienstrom. Sämtliche memorial clips waren schon fertig, die Nachrufe längst im voraus formuliert. Millionen Menschen, vielleicht Hunderte Millionen, empfanden etwas in virtuellem Einklang - oder fühlten sich doch verpflichtet, dasselbe zu fühlen wie die anderen. In dieser Hinsicht wird das 21. Jahrhundert wahrscheinlich dem ablaufenden ähneln. Popular culture ist geradezu der Sauerstoff unseres kollektiven Daseins. Sie hält Verbindungen zusammen. (Bekanntschaftsanzeigen könnte man sicherlich ungeschickter einleiten als mit "Suche gleichgesinnten Sinatra-Liebhaber; let's do it your way" oder "Gesucht: Seinfeld-Gegner aus Gewissensgründen." Die Leute, die man kennenlernen möchte, würden wissen, was gemeint ist.)

Die Populärkultur führt Gemeinschaften zusammen Showpublikum, Fanklubs, chat groups. Sie erfüllt die Alltagskonversation. (Philip Roth: Amerika ist voll "erstklassiger Menschen, die angeregt über zweitrangige Filme plaudern.") Sie überlagert die Politik.

November 1998

Sie haben etwa 11% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 89% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Globales Elend und die Diktatur der Superreichen

von Ute Scheub

Sie düsen in Privatjets um die Welt, um Immobilien und Konzernketten an sich zu reißen. Sie kaufen ganze Landschaften und Inseln, um sich dort im größten Luxus abzukapseln. Sie übernehmen Massenmedien, um sich selbst zu verherrlichen und gegen Arme und Geflüchtete zu hetzen.

Flucht vor der Verantwortung: Lieferkettengesetze am Ende?

von Merle Groneweg

Der 11. September erinnert nicht nur an den Einsturz des World Trade Centers in New York, sondern auch an eine der schwersten Katastrophen in der Textilindustrie: den Brand in der Fabrik Ali Enterprises in Karatschi, Pakistan.

Mythos grüne Digitalisierung

von Ingo Dachwitz, Sven Hilbig

Der Klang der Zukunft ist ein leises, elektrisches Dröhnen, das in den Knochen vibriert. Hier im Rechenzentrum herrscht niemals Stille. Es ist erfüllt von einem monotonen Chor mechanischer Flüstertöne.

Eigennutz statt Solidarität

von Klaus Seitz

Etwa eine Milliarde Euro weniger als im vergangenen Jahr steht dem Bundesentwicklungsministerium 2025 zur Verfügung. Doch nicht nur der Spardruck macht der Entwicklungszusammenarbeit zu schaffen, auch die strategische Neuausrichtung gefährdet ihre Zukunftsfähigkeit.