Mit dem neuen Strategischen Konzept 1) sollte rechtzeitig zum 50. Jubiläum der NATO die bohrende Frage nach Sinn und Zweck der Allianz nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes beantwortet werden. Durch den Krieg in Jugoslawien gewann diese Debatte unerwartet Aktualität und Brisanz. Der Krieg kann als Testfall für die neue NATO gelten. Möglicherweise steht er aber auch für etwas anderes, nämlich den Anfang vom Ende des Bündnisses selbst. In jedem Fall aber ist die Frage "NATO wohin?", die auf dem Gipfel in Washington abschließend geklärt werden sollte, wieder offen. Die Diskussion über die künftige Rolle der Allianz begann schon mit den Gipfeltreffen in London (1990) und Rom (1991). Trotz der damals diagnostizierten Ungewißheit und Unübersichtlichkeit war eines klar: Der NATO als hegemonial strukturiertem Bündnis kollektiver Verteidigung war mit dem Zerfall der UdSSR und den in Maastricht artikulierten europäischen Emanzipationsbestrebungen in doppelter Hinsicht die raison d'etre abhanden gekommen.
Anstatt sich mit ihrem langsamen Auszehren abzufinden, reagierte das Bündnis wie eine große Firma, deren Produkte weniger nachgefragt werden.