"So ist die FDP unwählbar", tönt es derzeit allüberall aus dem liberalen Blätterwald. Vom Berliner "Tagesspiegel" bis zur Hamburger "Zeit" offenbaren sich gutmeinende liberale Medienmacher, "warum ich die Möllemann-FDP nicht mehr wählen kann" (Robert Leicht). Einstimmig der Aufschrei der Empörung gegen den "Aufstand der Unanständigen" (Gunter Hofmann). Die Jusos setzen noch Einen drauf und fordern die verbindliche Absage einer Koalition mit den Blau-Gelben. Kurzum, die Gretchenfrage der Berliner Republik anno 2002 lautet: Wie hältst du's mit der FDP? Man mag es als beruhigend ansehen, dass die medialen Seismographen die Anzeichen eines aufkeimenden Antisemitismus als drohendes "tektonisches Beben" ("Die Zeit") in der Parteienlandschaft festhalten. Aber abgesehen davon, dass bereits vor den letzten Ausfällen des Jürgen W. gute Gründe dafür sprachen, die Möllemann-FDP nicht mehr zu wählen, abgesehen auch davon, dass diejenigen Wählerschichten, die der Schnauzbärtige neuerdings zu erreichen gedenkt, sich von der "Bannbulle" eines Robert Leicht schwerlich werden beeindrucken lassen: Diese Form der aufgeregten medialen Ächtung geht am Problem des europaweit aufkommenden Rechtspopulismus vorbei.
In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist.