Israelische Linke sind sich darin einig, dass es keine israelische Linke gibt. Die israelische Linke schweigt seit Oktober 2000. Wir brauchten fast zwei Jahre, bis wir die berüchtigte Behauptung des vorherigen Ministerpräsidenten Ehud Barak - "Ich habe jeden Stein umgedreht" - durch eine andere Interpretation der Verhandlungen von Camp David erwidern konnten. Möglicherweise hatten wir erkannt, dass es uns doch noch gibt, obwohl von der israelischen Linken ja nicht viel übrig geblieben ist. Deshalb stolperten wir dann auch über jeden noch nicht gewendeten Stein, den es eigentlich auch nicht mehr geben sollte. Mittlerweile gibt es die Genfer Vereinbarungen und die Ayalon- Nusseibah-Initiative, doch die nimmt niemand wirklich ernst, vor allem die Linke nicht. Wir können sie nicht ernst nehmen, weil sie uns an die Osloer Verträge von vor zehn Jahren erinnert, von denen wir ja wissen, dass sie von Anfang nicht richtig funktioniert haben.
In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.