Theorie und Praxis: Jürgen Habermas zum 80.
Wir trafen uns in Jürgen Habermas’ Frankfurter Wohnung in der Myliusstraße, um über ein Forschungsprogramm zu sprechen. Während er Kaffee zubereitete, las ich einen Brief, mit dem ihm zum Leibnizpreis der Deutschen Forschungsgemeinschaft gratuliert wurde. Ich staunte über ein ungewöhnliches Preisgeld in Millionenhöhe. Es war der erste Leibnizpreis, der für herausragende Forschungen verliehen wurde; was er bedeutete, war mir daher auch nicht gleich klar. Doch der spontane Eindruck, es könne sich um Geld handeln, das dem Privatvermögen zufiele, zerstreute sich schnell. Habermas stellte sich vor, eine kleine Gruppe jüngerer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu gründen, die sich mit Fragen der Rechts- und Demokratietheorie befassen sollte. Es war die Geburtsstunde der „AG Rechtstheorie“.
Für jemanden, der in der zweiten Hälfte der 70er Jahre Philosophie und später auch Rechtswissenschaften in Frankfurt am Main zu studieren begonnen hatte, war dies eine überaus glückliche Fügung. Mit meinen Kommilitonen gehörte ich zu einer Zwischengeneration, die spürte, dass der kritisch-utopische Impuls der 68er, die wir mit einer Mischung aus Bewunderung und Distanz betrachteten, sich nach und nach verbraucht hatte.