Ausgabe Oktober 2016

Brasilien: Scheitern des Lulismo

Am 31. August hat der brasilianische Senat mit 61 zu 20 Stimmen für die Amtsenthebung von Präsidentin Dilma Rousseff votiert. Gleichzeitig stimmten nur 36 Senatoren dafür, der Präsidentin für acht Jahre die politischen Rechte zu entziehen. Das aber wäre die vorgesehene Strafe für ein der Amtsenthebung zugrunde liegendes „Verbrechen gegen die Verfassung“. Eine Mehrheit von 42 Senatoren entschied jedoch, dass die Vertreterin der Arbeiterpartei (PT) ihre politischen Rechte behalten darf – ein offensichtliches Zeichen schlechten Gewissens derjenigen, die noch 2014 zusammen mit Rousseff auf derselben Liste kandidiert hatten.

Diese vollkommen inkohärente Entscheidung dokumentiert, was kritische Stimmen schon lange behauptet haben: Mit der Absetzung wird eine „ehrliche Frau“, die zu den wenigen Politikern Brasiliens gehört und gegen die keine persönlichen Vorwürfe erhoben werden, für ihre – durchaus zahlreichen – politischen Fehler bestraft.

Denn: Die brasilianische Präsidialverfassung erlaubt dem Parlament nicht, unliebsame Präsidenten per Misstrauensvotum loszuwerden. Aus diesem Grund wurde die Verfassung gebeugt und wurden nicht haltbare Vorwürfe vorgeschoben. Insbesondere beschuldigte man Rousseff des „schweren Verbrechens“ von in Brasilien weit verbreiteten Haushaltstricks.

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