Ausgabe April 2017

Die Flüchtlingsrevolution oder: Die Wiederkehr des Politischen

Schenkt man den Medien Glauben, befindet sich Europa seit bald zwei Jahren in der „Flüchtlingskrise“. Dabei geht schon der Begriff an der Qualität und an der Dimension des Ereignisses vollkommen vorbei. Und genauso verhält es sich mit den Antworten auf diese „Krise“: Was gegenwärtig unter dem „Marshallplan für Afrika“ firmiert, ist nichts anderes als der Versuch, die ökonomische Dominanz des Nordens und Westens zu verteidigen.[1]

„Flüchtlingskrise“, dieses Wort unterstellt – fälschlicherweise – dass wir Europäer in der Krise stecken, weil einige hunderttausend Menschen, die auf der Suche nach einer besseren Zukunft sind, es unter Einsatz ihres Lebens schaffen, zu uns zu kommen. Zudem insinuiert der Begriff noch etwas anderes: Krisen werden bewältigt, danach ist alles, wie es früher war.

Das aber wird nicht der Fall sein. Nichts spricht dafür, dass die globale und regionale Ungleichheit bald ausgeglichen sein werden, dass der Klimawandel aufgehalten und die mehr als ein Dutzend Kriege und erst recht nicht alle anderen bewaffneten Konflikte enden werden, die alle zusammen gegenwärtig immer mehr Menschen zu dem Entschluss treiben zu fliehen. Im Gegenteil: Es scheint, als nähmen all diese Faktoren unablässig zu.

Sie haben etwa 7% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 93% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (2.00€)
Digitalausgabe kaufen (10.00€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

»Deutsch-Südwest« unter Merz: Zurück zur Schuldabwehr?

von Henning Melber

Schon am Beginn des Ersten Weltkriegs musste Deutschland seinen „Platz an der Sonne“ räumen. Zuvor war das Kaiserreich kurzzeitig zur viertgrößten Kolonialmacht aufgestiegen, aber nun übernahmen die Kriegsgegner der Entente dessen okkupierte Territorien in Afrika und der Südsee.