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Am 11. Juni veröffentlichte der Presserat seine Rüge gegen die »Bild«-Zeitung, die am 27. Februar 2021 in grob verfälschender Weise aus dem Artikel des »Blätter«-Redakteurs Albrecht von Lucke zitierte:
»Experte falsch zitiert«
»BILD wurde für einen Verstoß gegen das Gebot zur Wahrhaftigkeit nach Ziffer 1 des Pressekodex gerügt. Die Redaktion hatte unter der Überschrift „‚BILD Live ist die Stimme des Volkes‘“ über einen Aufsatz eines Politikexperten berichtet, der sich mit dem Format „Bild Live“ befasste. Der Experte habe darin den Erfolg des TV-Formats auf BILD.DE gewürdigt, heißt es im Artikel. Die Überschrift ist als wörtliches Zitat markiert. Tatsächlich hatte der Zitierte jedoch geschrieben: „Hier artikuliert sich die zugrundeliegende aggressive, fast schon inquisitorische Geisteshaltung – ‚Bild live‘ als die Stimme des Volkes gegen die Politikerkaste.“ Darin sah der Beschwerdeausschuss einen gravierenden Verstoß gegen das Gebot zur wahrhaftigen Wiedergabe wörtlicher Zitate. Zudem suggeriert der Artikel, der Zitierte habe sich anerkennend über das TV-Format geäußert. Tatsächlich hatte er jedoch eine erkennbar kritische Haltung zu „Bild Live“ eingenommen.«
Zur Pressemitteilung des Presserats
Die »Blätter« in »Bild«: Paradebeispiel für Fake-News-Journalismus
In der Samstagsausgabe vom 27. Februar 2021 veröffentlicht die „Bild“-Zeitung auf Seite 2 folgenden Text:
Polit-Experte Albrecht von Lucke „BILD Live ist die Stimme des Volkes“
Berlin – Er zählt zu den profiliertesten Politikexperten des Landes: Albrecht von Lucke (54), Autor zahlreicher Bücher (u.a. „Die gefährdete Republik“)!
Jetzt hat Lucke in einem Beitrag in „Blätter für deutsche und internationale Politik“ den Erfolg des TV-Formats BILD live auf BILD.de gewürdigt.
„Vor fünf Jahren hatte das Projekt noch ausgesprochen überschaubar, ja fast amateurhaft begonnen“, so von Lucke. Inzwischen sei der Aufbau „erstaunlich weit vorangeschritten. Kaum ein Politiker oder eine Politikerin, sieht man einmal von der Kanzlerin ab, der oder die sich den Anfragen von BILD entzöge. Alle rennen (..) dem neuen Sender förmlich das Studio ein.“
BILD Live sei „die Stimme des Volkes gegen die Politikerkaste“, konstatiert von Lucke. Es habe „erhebliche Auswirkungen auf die gesamte Medienlandschaft“. So würden Nachrichten Beiträge und Politiker Aussagen inzwischen regelmäßig auch von öffentlich-rechtlichen Sendern (u.a. „Deutschlandfunk“) zitiert bzw. gesendet. Luckes Fazit: Der Einfluss von BILD ist auch wegen BILD live immens.
Dieser Text ist ein Paradebeispiel für den von „Bild“ praktizierten Fake-News-Journalismus, der Aussagen aus dem Zusammenhang reißt, damit radikal entstellt und im Ergebnis in ihr Gegenteil verkehrt.
Schon die Überschrift, das angebliche Lucke-Zitat „Bild Live ist die Stimme des Volkes“ existiert so nicht im Text. Genau dieser Eindruck soll jedoch ganz gezielt erweckt werden – durch massive Manipulationen des Originalbeitrags „Rechte APO mit medialer Macht. Die neueste Ideologieproduktion aus dem Hause ‚Springer‘“ aus den aktuellen „Blättern für deutsche und internationale Politik“ (Ausgabe 3/2021, S. 89-98, hier S. 90).
Zu diesem Zweck werden im ersten Teil des Bild-Textes die betreffenden Passagen des Artikels noch durchaus korrekt zitiert, bis zu dem Satz: „Alle rennen [...] dem neuen Sender förmlich das Studio ein.“
Danach aber wird die entscheidende Passage ausgelassen, wodurch die Aussage völlig aus ihrem Zusammenhang gerissen und dadurch komplett entstellt wird. Denn weiter heißt es dort:
„So etwa nach dem jüngsten Corona-Gipfel am 10. Februar, als sich Kanzleramtschef Helge Braun den Fragen von ‚Bild‘-Vize Paul Ronzheimer stellte – im Laufband untertitelt nicht, wie sonst üblich, mit Gespräch oder Interview, sondern mit ‚Merkels wichtigster Mann im Verhör‘. Ebenfalls kurz zuvor ‚im Bild-Verhör‘: Gesundheitsminister Jens Spahn. Hier artikuliert sich die zugrundeliegende aggressive, fast schon inquisitorische Geisteshaltung – ‚Bild live‘ als die Stimme des Volkes gegen die Politikerkaste.“
Der Autor selbst erklärt „Bild Live“ also dezidiert nicht zur „Stimme des Volkes gegen die Politikerkaste“, sondern beschreibt gerade im Gegenteil damit „die aggressive, fast schon inquisitorische Geisteshaltung“ des Formats, das sich selbst anmaßt, als angebliche Stimme des Volkes gegen die gewählten Volksvertreter aufzutreten.
Doch diese eindeutige Aussage des Autors wird durch die manipulativen Auslassungen und falschen Zitationen im anschließenden Satz dann in ihr Gegenteil verkehrt: „BILD Live sei ‚die Stimme des Volkes gegen die Politikerkaste‘, konstatiert von Lucke“ laut Bild, was aber den Inhalt des Textes völlig auf den Kopf stellt, um so im Ergebnis zu dem gefakten Lucke-Zitat der Überschrift zu gelangen: „Bild Live ist die Stimme des Volkes“.
Stärker kann man den Inhalt eines Textes wohl kaum verfälschen. Der Bild-Text ist ein Paradebeispiel für Fake-News-Journalismus.