Ausgabe Mai 2023

Kurzgefasst

Richard C. Schneider: Das unlösbare Dilemma. 75 Jahre Israel und die Zukunft der ethnischen Demokratie, S. 47-55

Die radikalen Reformvorhaben der neuen Rechtsregierung von Benjamin Netanjahu treiben derzeit tausende Israelis zu Demonstrationen auf die Straße. Damit befindet sich das Land in einer der schwersten Krisen seiner Geschichte, die sich am 14. Mai zum 75. Mal jährt. Der Journalist Richard C. Schneider beleuchtet Vergangenheit und Gegenwart der israelischen Demokratie und analysiert, warum die Israelis an der ethnischen Basis ihrer Demokratie festhalten werden.

Katajun Amirpur: Die Sehnsucht nach dem Schah. Über die Geschichtsvergessenheit bei den iranischen Protesten, S. 57-63

Bei den Protesten gegen die Islamische Republik ist die iranische Kaiserflagge prominent vertreten. Wie aber kann es sein, dass im Protest gegen die eine Diktatur eine andere verherrlicht wird? Die Islamwissenschaftlerin und „Blätter“-Mitherausgeberin Katajun Amirpur zeigt auf, wie die Despotie des Schahs die Revolution von 1979 begünstigte und warum die Zeit vor dem Umbruch keine Alternative zum Gottesstaat sein kann.

Susanne Kaiser: Das feministische Paradox. Der brutale Backlash gegen die Emanzipation, S. 65-74

Der Hass, den radikale Antifeministen im Netz verbreiten, verweist auf ein Paradox: Wo viele Frauen in Machtpositionen vertreten sind, nehmen Gewalttaten gegen Frauen zu und sind Frauenhäuser maßlos überlastet. Die Journalistin Susanne Kaiser geht diesem scheinbaren Widerspruch auf den Grund und zeigt auf, wie wir zukünftig über Geschlechteridentitäten sprechen sollten, um dieser gefährlichen Entwicklung zu begegnen.

Cédric Wermuth: Gegen den russischen Imperialismus. Warum die Linke die Ukraine unterstützen muss, S. 75-84

Aus Kritik an der globalen Dominanz der USA zögern manche europäische Linke bei der Unterstützung der Ukraine. Das aber ist grundfalsch, argumentiert der Co-Präsident der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz, Cédric Wermuth. Denn eine multipolare Weltordnung dürfe nicht um den Preis entstehen, dass dabei autoritäre Kräfte wie Putins Russland gestärkt werden. Die Linke müsse daher ein Handeln in Widersprüchen lernen – und bei aller Kritik am Westen fest an der Seite der Ukraine stehen.

Petro Burkovskiy und Andreas Umland: Auf dem Weg zur »Dritten Republik«? Die Ukraine zwischen Kriegswirtschaft und europäischer Integration, S. 85-92

Russlands verheerender Krieg gegen die Ukraine erweist sich auch als Triebkraft für einen tiefgreifenden Wandel der ukrainischen Gesellschaft. Manche sprechen gar von der Entstehung einer „dritten Republik“. Die Politikwissenschaftler Petro Burkovskiy und Andreas Umland beleuchten, wie der Krieg die ukrainische Innenpolitik prägt – und dabei destruktive wie konstruktive Veränderungen hervorbringt.

Frauke Banse: Die neue Schuldenkrise. Wie die internationale Entwicklungspolitik den Globalen Süden ruiniert, S. 93-99

Spätestens seit der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS ist in Europa von einer drohenden neuen Bankenkrise die Rede. Nahezu unbeachtet von der hiesigen Öffentlichkeit bahnt sich im Globalen Süden dagegen schon lange eine tiefgreifende Schuldenkrise an – massiv verstärkt durch Pandemie, Ukrainekrieg und Inflation. Die Politikwissenschaftlerin Frauke Banse erklärt, wie die westliche Entwicklungshilfe diesen Trend befeuert – und warum die marktbasierte Entwicklungsfinanzierung gescheitert ist.

Daniel Fuchs und Christa Wichterich: Essen auf zwei Rädern: Plattform-Kapitalismus auf Chinesisch, S. 103-108

China verfügt über die größte Plattformökonomie der Welt, in der Corona-Pandemie übernahmen Fahrradkuriere einen wichtigen Teil der Lebensmittelversorgung. Jedoch hat dieses Modell enorme Schattenseiten, so der Politikwissenschaftler Daniel Fuchs und die Soziologin Christa Wichterich. In der kaum regulierten Branche sind die Kurierfahrer zunehmend überlastet – und greifen verstärkt zu Arbeitskämpfen.

Thomas Fuchs: Was wird aus dem Menschen? Plädoyer für einen neuen Humanismus, S. 109-122

Wie kann der Mensch dem Allmachts-Ohnmachts-Komplex der atheistischen Moderne entkommen, ohne sich dabei selbst zu opfern, etwa indem er in Maschinen aufgeht? Der Psychiater und Philosoph Thomas Fuchs stellt dem neodarwinistischen Posthumanismus des Silicon Valley einen zeitgemäßen und lebensbejahenden Humanismus entgegen, der Körperlichkeit, Lebendigkeit und Ökologie in den Mittelpunkt stellt.

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

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