Ausgabe Mai 2023

Essen auf zwei Rädern: Plattform-Kapitalismus auf Chinesisch

Eine Meituan-Lieferantin in Chongqing, China, 5.8.2020 (IMAGO / VCG)

Bild: Eine Meituan-Lieferantin in Chongqing, China, 5.8.2020 (IMAGO / VCG)

Als ab Mitte Dezember 2022 die Coronainfektionen im Land massiv stiegen, richteten die Lokalregierungen in Peking und zahlreichen anderen chinesischen Städten einen Appell an die Bevölkerung: „Wenn es Ihre persönlichen und familiären Umstände erlauben, Sie im Moment nicht arbeiten oder etwas Freizeit haben, und unter der Bedingung, dass Sie auf Ihre Gesundheit achten, möchten wir Sie dazu anregen, sich den Reihen der Essenskuriere anzuschließen und damit Tausenden Familien in unserem Bezirk etwas Wärme in dieser besonderen Zeit zukommen zu lassen.“[1] Dieser Aufruf verdeutlicht vor allem eines: wie relevant plattformbasierte Essenslieferdienste für die soziale Reproduktion der chinesischen Gesellschaft geworden sind.

In den vergangenen zehn Jahren hat die Zahl der Plattformunternehmen in der Volksrepublik rasant zugenommen, ihre Umsätze stiegen um das 30fache. Während der COVID-19-Pandemie erlebten plattformbasierte Essenslieferdienste einen regelrechten Boom: Über acht Millionen Essenskurier:innen, so genannte Rider, waren im Jahr 2020 auf chinesischen Plattformen registriert.[2] Insgesamt waren im selben Jahr 84 Millionen Menschen über digitale Plattformen beschäftigt. Damit verfügt China über die größte Plattformökonomie der Welt.

»Blätter«-Ausgabe 5/2023

Sie haben etwa 6% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 94% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (2.00€)
Digitalausgabe kaufen (11.00€)
Druckausgabe kaufen (11.00€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Oktober 2025

In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Euphorie und Ernüchterung: Bangladesch nach dem Aufstand

von Natalie Mayroth, Dil Afrose Jahan

Im September fanden an der Universität Dhaka, einer der wichtigsten Hochschulen Bangladeschs, Wahlen zur Studentenvereinigung statt. Manche sehen sie als Testlauf für die nationalen Wahlen. Daher ist es ein Warnsignal, dass dort ausgerechnet der Studentenflügel der islamistischen Jamaat-e-Islami gewann.

Koloniale Nachwehen: Der Kampf um Kaschmir

von Amadeus Marzai

Ein brutaler Terroranschlag riss am Nachmittag des 22. April das idyllische Baisaran-Gebirgstal im von Indien kontrollierten Teil Kaschmirs aus seiner Ruhe. Es war der Beginn einer rapiden Eskalation im seit jeher angespannten indisch-pakistanischen Verhältnis und könnte sogar zum Ausgangspunkt eines größeren Krieges zwischen den beiden Nuklearmächten werden.

Südkorea: Vom Putschversuch zur Richtungswahl

von Fabian Kretschmer

Es ist mehr als nur ein Klischee, dass die südkoreanische Demokratie zu den lebhaftesten in ganz Asien zählt. Seit der Wahlkampf Anfang Mai offiziell eingeläutet wurde, sind die gläsernen Fassaden der Bürotürme in der Hauptstadt Seoul mit riesigen Plakaten der Spitzenkandidaten zugepflastert.