Ausgabe Januar 2026

Fatale Deals: Die Normalisierung des Talibanregimes

Afghanistans Außenminister Amir Khan Muttaqi bei Moskau-Format-Konsultationen, 7.10.2025 (IMAGO / SNA)

Bild: Afghanistans Außenminister Amir Khan Muttaqi bei Moskau-Format-Konsultationen, 7.10.2025 (IMAGO / SNA)

Vier Jahre nach der Machtübernahme der radikal-islamistischen Taliban steht die internationale Gemeinschaft an einem Wendepunkt, über den kaum jemand spricht: Die anfängliche Isolation des Regimes verwandelt sich in eine faktische Anerkennung. Diplomatische Verhandlungen, die Akkreditierung von Taliban-Vertretern: Was 2021 noch als Tabu galt, ist heute Alltag. Politisches Wegducken, pragmatische Ausreden und geopolitisches Kalkül haben zu einer langsamen, aber tiefgreifenden Normalisierung geführt – eine Normalisierung, die internationale Normen untergräbt, die globale Sicherheit bedroht und vor allem die Menschen Afghanistans im Stich lässt. 

Als erstes Land der Welt hat Russland die Taliban offiziell als Regierung Afghanistans im Juli 2025 anerkannt und die Gruppe von seiner Liste verbotener Terrororganisationen gestrichen. Was für die Taliban einen außenpolitischen Prestigegewinn bedeutete, war für Russland ein Signal gegen den Westen. Dem Kreml ist inzwischen jeder Partner willkommen, der sich in seine antiwestliche Außenpolitik einfügt. Moskau steht mit dieser expliziten Legitimierung des Talibanregimes zwar noch alleine da, doch auch in anderen Ländern hat sich die Linie schon deutlich verschoben. Indien, das nach der Machtübernahme seine Botschaft in Kabul geschlossen hatte, kehrte mittlerweile mit »technischen Missionen« – so der offizielle, euphemistische Begriff für die Entsendung von Diplomaten – wieder zurück.

»Blätter«-Ausgabe 1/2026

Sie haben etwa 11% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 89% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (2.00€)
Digitalausgabe kaufen (12.00€)
Druckausgabe kaufen (12.00€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Dezember 2025

In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Verbrecherische Komplizen: Libyen und die EU

von Sigrun Matthiesen, Allison West

Es war ein Tiefpunkt in der Geschichte der Seenotrettung: 20 Minuten lang beschoss am 24. August ein Patrouillenboot der libyschen Küstenwache die Ocean Viking, ein Rettungsschiff der Seenotrettungsorganisation SOS Méditerranée.