Wien I ist das bisher bedeutendste Abrüstungsabkommen für Europa und ein unverzichtbarer Beitrag zur Stabilisierung der dramatischen Umbrüche des vergangenen Jahres. Dennoch war der Vertrag bereits am Tage seiner Unterzeichnung politisch, konzeptionell und von der realen Abrüstung überholt.
Rund 50 000 konventionelle Waffensysteme müssen wegen Wien I vernichtet werden. Aber über den Rückzug der sowjetischen Truppen aus Mitteleuropa und die Beschränkung der Bundeswehr auf 370 000 Mann wurde vor Abschluß und außerhalb des Vertrages entschieden. Wien I - so unverzichtbar wie überholt - ist ein Abkommen für den Übergang.
Der Vertrag steht für das Ende eines Abrüstungsparadigmas: Bis in das vergangene Jahr hinein hatte man geglaubt, daß die Abrüstung ein, wenn nicht das Instrument sein könne, um politische Veränderung zu erreichen. Der Herbst 1989 hat eines Besseren belehrt: Was da politisch umbrach, war nicht durch Abrüstung angestoßen und schon gar nicht durch Verhandlungen. Das bedeutet aber nicht, daß Abrüstung nun weniger wichtig oder Verträge überflüssig wären. Schon ein Blick auf das, was nach Wien I noch bleibt, beweist das Gegenteil.