Ausgabe Januar 1992

Georgi statt Gorbi

Georgi heißt er, der Georgier und ist unheimlich georgisch.

Zwar hat er keine russische, sondern eine georgische Seele, aber so groß scheint der Unterschied nicht zu sein: Männerchöre sind immer dann zu hören, wenn er durch seine Heimat fährt. Grauer Vollbart und hohe Statur verstehen sich von selbst, und angezogen ist er wie ein Geistlicher oder Donkosak. Elsa, die Deutsche, nennt ihn einen "leisen, sanftmütigen Riesen", den Theaterregisseur und Freiheitskämpfer für sein einzig Volk von georgischen Brüdern. Er verläßt seine Heimatstadt, um im Westen den "Wilhelm Tell" zu inszenieren. Siebzig Jahre lang hätten die Kommunisten sie ferngehalten von der Welt, hält er seinen Schülern entgegen, die ihm vorwerfen, daß er sie im Stich läßt, und: "Dort weiß niemand was von uns Georgiern."

Das soll sich ändern: Friedrich Schiller wird für den georgischen Freiheitskampf in Dienst genommen, er selber aber scheint keinerlei Nachholbedarf zu haben an westlicher Realitätserschließung. Munter philosphiert er über RAF, deutsche Ordnungsliebe und selbst das auf Deutschlands Autobahnen nicht vorhandene Tempolimit muß für nette Anspielungen herhalten: Terror oder Freiheit.

Januar 1992

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