Ausgabe August 1992

Zwischen sanfter Revolution und Demokratie

Antinomien tschechoslowakischer Politik seit 1989

"Nehmen wir an, daß es auf einer Straße zu einer großen Unruhe wegen irgend etwas, sagen wir einer Straßenlaterne, kommt, die viele einflußreiche Personen abreißen möchten. Es wird ein grau gekleideter Mönch um Rat gefragt, welcher den Geist des Mittelalters verkörpert, und er beginnt auf die trockene Art und Weise der Scholastiker den Fall zu analysieren: "Denken wir zuerst, meine Brüder, über den Wert des Lichtes nach. Wenn das Licht an sich gut ist..." In diesem Augenblick wird er verständlicherweise zusammengeschlagen. Die Menschen stürzen sich zu der Laterne, reißen sie zum Boden und gratulieren sich gegenseitig zu ihrem unmittelalterlichen Pragmatismus.  In der weiteren Vorgehensweise laufen die Dinge nicht mehr so glatt. Einige Menschen rissen die Laterne ab, weil sie das elektrische Licht einführen wollten; andere wiederum deswegen, weil sie altes Eisen brauchten; einige wiederum deswegen, weil sie die Dunkelheit bevorzugten, weil ihre Taten böse waren. Manche dachten, daß sie schwach leuchtete, manchen war sie zu stark; manche haben sie gestürzt, weil sie das Eigentum der Stadt beschädigen wollten, andere wiederum, weil sie irgend etwas kaputt machen wollten. Und so entbrennt in der Dunkelheit ein Kampf, in dem niemand weiß, wer wen schlägt.

August 1992

Sie haben etwa 4% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 96% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Warnungen aus Weimar

von Daniel Ziblatt

Autokraten sind vielerorts auf dem Vormarsch. Ihre Machtübernahme ist aber keineswegs zwangsläufig. Gerade der Blick auf die Weimarer Republik zeigt: Oft ist es das taktische Kalkül der alten Eliten, das die Antidemokraten an die Macht bringt.

Von Milošević zu Trump: Die bosnische Tragödie und der Verrat an den Bürgerrechten

von Sead Husic

Es herrschte keine Freude bei der bosnisch-herzegowinischen Regierungsdelegation am 22. November 1995 auf dem Wright-Patterson-Luftwaffenstützpunkt in Dayton. Eben hatte sie dem Friedensabkommen mit der Bundesrepublik Jugoslawien, die noch aus Serbien und Montenegro bestand, und Kroatien zugestimmt, doch sie fühlte sich betrogen.