Ausgabe August 1992

Zwischen sanfter Revolution und Demokratie

Antinomien tschechoslowakischer Politik seit 1989

"Nehmen wir an, daß es auf einer Straße zu einer großen Unruhe wegen irgend etwas, sagen wir einer Straßenlaterne, kommt, die viele einflußreiche Personen abreißen möchten. Es wird ein grau gekleideter Mönch um Rat gefragt, welcher den Geist des Mittelalters verkörpert, und er beginnt auf die trockene Art und Weise der Scholastiker den Fall zu analysieren: "Denken wir zuerst, meine Brüder, über den Wert des Lichtes nach. Wenn das Licht an sich gut ist..." In diesem Augenblick wird er verständlicherweise zusammengeschlagen. Die Menschen stürzen sich zu der Laterne, reißen sie zum Boden und gratulieren sich gegenseitig zu ihrem unmittelalterlichen Pragmatismus.  In der weiteren Vorgehensweise laufen die Dinge nicht mehr so glatt. Einige Menschen rissen die Laterne ab, weil sie das elektrische Licht einführen wollten; andere wiederum deswegen, weil sie altes Eisen brauchten; einige wiederum deswegen, weil sie die Dunkelheit bevorzugten, weil ihre Taten böse waren. Manche dachten, daß sie schwach leuchtete, manchen war sie zu stark; manche haben sie gestürzt, weil sie das Eigentum der Stadt beschädigen wollten, andere wiederum, weil sie irgend etwas kaputt machen wollten. Und so entbrennt in der Dunkelheit ein Kampf, in dem niemand weiß, wer wen schlägt.

August 1992

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In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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