Ausgabe November 1993

Piano, aber forte

Jane Campions preisgekrönter Film Das Piano erzählt die Geschichte einer Frau, die an einen Farmer nach Neuseeland verheiratet wird, den sie nie vorher gesehen hat. Ihren wichtigsten Besitz, ein Klavier, hat sie aus England mitgebracht, aber das will der Mann gar nicht erst bis zum Wohnhaus schleppen lassen. Einsam bleibt es am Strand stehen, wie Werner Herzogs Urwald-Opernhaus ein Symbol der Konfrontation zwischen Natur und dem kolonialen Überlegenheitsanspruch der europäischen Zivilisation.

Aber der stummen, von den Moralkonventionen benachteiligten Ada verleiht die Zivilisation in der neuen Umgebung Macht und Attraktivität. Ein Nachbar im Urwald, Maori-Mischling und Analphabet, beginnt sich für sie zu interessieren, kauft das Klavier und will sie spielen hören. Die Sexualität und die Liebe gehen aus einem Handel hervor, bei dem beide zunächst etwas anderes voneinander wollen: sie ist fasziniert von seiner Naturhaftigkeit, er von ihrem Klavierspiel. Die anschließende Dreiecksgeschichte hat zwei Schlüsse: Beim Umziehen vom grausamen Ehegatten, der ihr einen Finger mit dem Beil abschlug, zum Geliebten, der sie aus dem dunklen Milieu der Unterdrückung befreite, wird sie vom versenkten Klavier in die Tiefe gezogen - aber gerettet.

So kann die Harmonie im sauberen Landhaus siegen: Den verlorenen Finger ersetzt ein stählerner, und sprechen lehrt die Liebe sie auch.

November 1993

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In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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