Hannah Arendts ambivalenter Begriff der Öffentlichkeit
Im Jahre 1989 schien es so, als würde sich ereignen, was Hannah Arendt spätestens seit 1956 erwartet hatte. Für dieses Ereignis gab es außer der gescheiterten ungarischen und den vielen ebenfalls gescheiterten Räteregierungen der europäischen Revolutionen des 18., 19. und 20. Jahrhunderts nur ein einziges erfolgreiches Beispiel in der neueren Geschichte: die Amerikanische Revolution. Sie ist für Hannah Arendt deshalb das Paradigma einer wahrhaft geglückten Revolution, weil sie eine politische ohne soziale Revolution, Staatengründung ohne Klassenkampf war. Im Vorrang der "sozialen Frage" und im Umschlagen der politisch motivierten in eine soziale Revolution sah Hannah Arendt die eigentliche Katastrophe der neueren europäischen Geschichte: den Ursprung allen Terrors zunächst in der Französischen, später dann in der Russischen Revolution, die Transformation von pluraler Macht in monokausale Gewalt, den Rückschlag von republikanischer Freiheit in identitäre Demokratie.
Der Umschlag ins Soziale ist für sie der Sündenfall der modernen Revolution. Statt wie bei den Römern "Brot und Spiele" galt fortan für die Armen der Ernstfall: "Brot und Politik" (vgl. Preuß 1990, S. 25). Man könnte hier auch mit einem Ausdruck Michel Foucaults von einem Umschlag der Verfassungsrevolution in die Biopolitik des Bauches sprechen (vgl.