Wer je Studien machen möchte über die Frage, wie reale gesellschaftliche Ereignisse durch das Fernsehen nach den Gesetzen fiktiver Kinoerfahrungen modelliert werden, hat in der Überschwemmungskatastrophe an der Oder ein einprägsames Fallbeispiel. Als Medienereignis betrachtet war das Hochwasser ein voller Erfolg. Es entsprach ziemlich exakt den dramaturgischen Dimensionen jener mittleren Apokalypsen, die dem Genre des Katastrophenfilms als Plot dienen: allmähliche Steigerung mit langandauernder Cliffhänger-Spannung, Untergang im Nebenhandlungsstrang und Happy-end im Ganzen, Kleine Helden werden groß im Kampf gegen eine Naturgewalt, die unberechenbar scheint und doch am Ende, gerecht wie das Schicksal, die Mühen der Guten lohnt.
Mit einem untrüglichen Gespür dafür, daß nur eine längerfristige Notlage wirklich vom Publikum nachhaltig rezipiert wird, waren die Sender auf die Story vom Oderbruch "eingestiegen", als abzusehen war, daß sie heroische Dimensionen annehmen und entweder in die Katastrophe oder in eine Rettung-in-letzter-Minute münden würde.