Ausgabe September 1997

Oder bringt's voll

Wer je Studien machen möchte über die Frage, wie reale gesellschaftliche Ereignisse durch das Fernsehen nach den Gesetzen fiktiver Kinoerfahrungen modelliert werden, hat in der Überschwemmungskatastrophe an der Oder ein einprägsames Fallbeispiel. Als Medienereignis betrachtet war das Hochwasser ein voller Erfolg. Es entsprach ziemlich exakt den dramaturgischen Dimensionen jener mittleren Apokalypsen, die dem Genre des Katastrophenfilms als Plot dienen: allmähliche Steigerung mit langandauernder Cliffhänger-Spannung, Untergang im Nebenhandlungsstrang und Happy-end im Ganzen, Kleine Helden werden groß im Kampf gegen eine Naturgewalt, die unberechenbar scheint und doch am Ende, gerecht wie das Schicksal, die Mühen der Guten lohnt.

Mit einem untrüglichen Gespür dafür, daß nur eine längerfristige Notlage wirklich vom Publikum nachhaltig rezipiert wird, waren die Sender auf die Story vom Oderbruch "eingestiegen", als abzusehen war, daß sie heroische Dimensionen annehmen und entweder in die Katastrophe oder in eine Rettung-in-letzter-Minute münden würde.

September 1997

Sie haben etwa 28% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 72% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Immer jünger, immer rechter: Teenager mit Baseballschlägern

von David Begrich

Ihre Haare sind kurz, gescheitelt und streng gekämmt. Sie zeigen den White Power- oder gar den Hitlergruß. Ist der Aufschwung der rechtsextremen Jugendszene wirklich etwas Neues – oder nur eine Fortsetzung neonazistischer Gewalt?

Maskulin und libertär

von Stefan Matern, Sascha Ruppert-Karakas

Echte Männer sind rechts“ – das auf Social Media viral gegangene Video des AfD-Politikers Maximilian Krah ist mehr als nur ein lapidares Bekenntnis zu traditionellen Familien- und Geschlechterrollen. Es ist vielmehr der strategische Versuch, junge Menschen niedrigschwellig an AfD-Positionen heranzuführen. Im provokanten Politainmentstil bespielt die Partei auf den digitalen Plattformen unpolitisch anmutende Themen rund um die Probleme und persönlichen Unsicherheiten junger Männer.