Ausgabe Februar 2001

Europäische Perspektiven nach Nizza

Nachdem die ersten Kommentare den neuen EU-Vertrag analysiert und die beschlossenen Reformen insgesamt als zu leicht befunden haben, ist es an der Zeit, die Gründe für das magere Gipfelergebnis zu beleuchten und den Blick auf die mittel- und längerfristigen Perspektiven des europäischen Integrationsprojekts zu richten. Denn trotz dramatisierender Rhetorik, die den Erfolg des als "historisch" und "schicksalhaft" bezeichneten Gipfels erzwingen sollte, markierte Nizza keinen End- oder Wendepunkt in der europäischen Integration; die Ergebnisse stellen vielmehr einige weitere Elemente in der langen Kette an gemeinsamen Beschlüssen dar, die eines Tages zur Vollendung des europäischen Einigungswerkes führen sollten. Bei der Bewältigung der so genannten Amsterdamer Leftovers, dem Hauptthema in Nizza, wurde von fast allen Mitgliedstaaten mit harten Bandagen gekämpft. Dies zeigte sich bei der nur sehr zögerlichen, die wichtigsten Politikfelder aussparenden Ausweitung des qualifizierten Mehrheitsentscheids ebenso wie bei der Stimmneuwägung im Rat. Auch bei den Beschlüssen über die künftige Kommissionsgröße wurden vor allem von den kleinen Mitgliedstaaten gnadenlos die nationalen Interessen in den Vordergrund gestellt und damit ein "Nizza-Leftover" produziert: Zwar gilt ab dem 1.

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In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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